Projekt Beschreibung
Gastro-Konzepte rund um heimischen Fisch
Ob Erfolg oder Misserfolg – darüber entscheidet beim Fisch die Frische und Qualität. Wir stellen mehrere Gastro-Konzepte vor, die diese Regel perfekt umsetzen. Ideal ist es natürlich, wenn man wie der Forellenhof Walgerfranz in Bad Tölz direkt aus eigenen Teichen „schöpfen“ und sich drauf verlassen kann, dass in der Küche Spitzenfisch verarbeitet wird.
14 Teiche hat der Forellenhof, in denen Saiblinge, Forellen und Lachsforellen gezüchtet werden. Dazu kommt ein großer Weiher, in dem Karpfen gedeihen. Wenn man über die Teiche blickt – ein Paradies. Aber auch das hat natürlich seine Schattenseiten. „Fischzucht macht viel Arbeit und es kann eine Menge schief gehen“, berichtet die Forellenhof-Wirtin Monika Poschenrieder. „Mein Vater hat die Fischzucht nach dem Krieg aufgebaut, unser Restaurant lebt vom Fisch. Aber es ist eine sensible Geschichte, gerade die Forellen sind sehr empfindlich. Wenn die Wassertemperatur oder der Sauerstoffgehalt nicht stimmen, das Wasser nicht sauber ist, dann war’s das. Dazu kommen Räuber wie Fischreiher und Kormorane.“
Ein Fischwirt und mehrere Aushilfen kümmern sich um die Fischzucht und für den Nachschub in der Küche. Gleich in der Früh werden die Fische geschlachtet, knapp eine halbe Stunde später ist die Forelle Blau schon im Topf. „Wie frisch unsere Forellen sind, erkennt man daran, dass ihr Fleisch im Sud aufplatzt“, erklärt die Wirtin. Für Forelle Müllerin oder andere Bratfische ruht der Fisch erst einen Tag im Kühlhaus, damit sich die Muskeln wieder entspannen.
Die Gäste sind vorwiegend Ehepaare, 40 aufwärts, die einen guten Fisch zu schätzen wissen. Aber auch viele Familien machen eine Landpartie zum Walgerfranz. Schließlich locken nicht nur die Fische, die man beim Schwimmen im glasklaren Wasser beobachten kann. Auch an Land kreucht und fleucht das tierische Leben: Pfaue, Hühner, Gänse. Was den zubereiteten Fisch angeht, sind klassisch blau oder die Müllerin nach wie vor die Bestseller im Forellenhof. Aber Trendentwicklungen machen auch vor der Forelle nicht halt. „Sehr beliebt sind die Fischspezialitäten mit italienischen Akzenten, mit Knoblauch und Kräutern“, so Monika Poschenrieder.
Fränkische Karpfen
Ein Schwenk von Oberbayern ins unterfränkische Karpfenreich. Hier hat sich das Fischhaus Bechhofen mit Karpfen aus eigenen Teichen weit über die Ortsgrenzen hinaus einen Namen gemacht. Traditionell wird Karpfen allerdings nur in den Monaten mit „R“ gegessen, also von September bis April. Die Monate Mai bis August wird natürlich nicht geschlossen. Wirt Johann Beck hat auch Forellen, die in den warmen Monaten serviert werden. Außerdem hat er das Glück, dass er mit einer 7° Celsius kalten Quelle das ganze Jahr über Karpfen anbieten kann.
Die einheimischen Gäste interessiert das zwar weniger, der Franke hält sich da an die R-Monate. Aber die Touristen freuen sich. Denn die Gegend wird als Karpfenregion beworben, sogar einen fränkischen Karpfen-Radweg gibt es. Aber wenn man da im Sommer langradelt, kann man dem Karpfen vielerorts nur beim Schwimmen zusehen. Johann Beck verführt seine Gäste derweil mit gebackenen Karpfenfilets und Karpfenknusper. Ab September gibt es den Karpfen dann auch wieder Blau.
Altbackene Karpfen modern aufgepeppt
Stichwort Karpfenknusper – manch einer mag schon davon gehört haben. Dahinter steckt die spannende Geschichte, wie der (altbackene) Karpfen aufgepeppt und zu einem „to go“-Produkt wurde. Wir schreiben das Jahr 1998: Schaustellerin Erika Störzer steht mit einem Imbisswagen mit Aischgrunder Karpfen auf dem Nürnberger Fischmarkt und kein Besucher will Karpfen essen. Ihr Koch und Cousin Adolf Schäfer hat sich daraufhin angeschaut, was auf dem Markt los ist: „Die Leute hatten alle was in der Hand und aßen im Vorbeilaufen. Zeit, bei uns in Ruhe einen Karpfen zu essen, hatte sie nicht.“ Bedarf erkannt und drauf reagiert.
Unter der Marke „Karpfenknusper“ entwickelte Schäfer verschiedene leckere Fingerfood-Kreationen und machte ihn so to go und trendy. Die Markbesucher freuten sich nicht nur, dass sie Karpfen von der Hand essen konnten, sondern entdeckten ihn von einer ganz neuen Seite: als Bratkarpfen, Wiener Art, Karpfenburger, Nuggets (Filetwürfel im Backteig), knusprig gebratene Sticks oder Wraps mit Karpfencreme, Salat und Karpfenstücken. Absolutes Highlight waren allerdings die knusprig gebratenen Karpfenflossen – eigentlich ein Abfallprodukt, das Schäfer en masse von seinem Fischhändler bezog und das ähnlich wie Chickenwings nur entsprechend verpackt werden musste.
Die Idee der Karpfenmodernisierung hat kürzlich ein Norddeutscher Fischzüchter aufgegriffen. Unter dem Titel „attraktive Karpfenprodukte auch für die Jugend“ hat das FischMagazin der Geschichte einen zweiseitigen Artikel gewidmet. „Die Karpfen blau-Generation stirbt aus, da mussten wir uns etwas Modernes überlegen“, so erklärte es Gunnar Reese auf einer Pressekonferenz. Seine Lösung sind u.a. Karpfenburger, in Bierteig ausgebackene Karpfenchips auf Chili Sauerkraut und Karpfenbutter. Dass er nicht der Erfinder des Karpfenburgers ist, räumt Reese gerne ein. Seine „modern Karpfen“-Produkte seien aber neue Variationen.
Do it yourself: Indoor-Fischfarming
Eigene Fischteiche sind nicht jedem Wirt gegeben. Eine Alternative könnten bei entsprechendem Platz – z.B. in einer leeren Lagerhalle – die Indoor-Fischfarming-Systeme von der Fa. Agintec sein. Die IRAS-Anlagen bestehen aus 3 Becken, je einem für die Setzlinge, Jungfische und Mastfische, und einem biologischen Wasseraufbereitungssystem, das mit Mikroorganismen arbeitet, so dass täglich nur etwa 5% des Wassers durch Frischwasser ersetzt werden muss. Das Ergebnis sind keine „Billigfische“ – das betont der Entwickler und Firmenchef Heribert Reinhardt. Die Anlagen eignen sich nach seinen Angaben zur Zucht nahezu aller Süßwasser-Speisefische, aber auch von Exoten wie Pangasius oder Tilapia. In Homburg wird derzeit eine Musteranlage gebaut, wo man sich das Ganze live anschauen kann.
Eine einfachere Lösung ist natürlich die Zusammenarbeit mit einem guten Fischzüchter. Im Gasthaus Wurm im oberfränkischen Röbersdorf werden die Karpfen z.B. lebend angeliefert und bis zur Schlachtung in 3 Bassins – nach Größe sortiert – im Keller gehalten. Die großen Karpfen werden für Filets verwendet, die kleineren kommen als halbe gebackene Karpfen oder blau auf den Teller. Wobei peinlich genau drauf geachtet wird, dass selbst der Schwanz korrekt geteilt ist. „Nur beim Rückgrat klappt das nicht“, berichtet Anita Wurm.
Zuständig für die Fischverarbeitung ist ihr Ehemann Georg Wurm, der das Gasthaus 1977 von seinen früh verstorbenen Eltern übernahm. Die Karpfen werden zunächst mit Strom betäubt und dann getötet. „Das kostet einige Kraft, vor allem das Teilen“, berichtet Anita Wurm. Über die Zusammenarbeit mit ihrem Fischzüchter erzählt sie: „Wichtig ist, dass er die Karpfen richtig hält.“ Vor dem Verzehr kommen die Karpfen üblicherweise für eine Woche aus dem Weiher in ein klares, sauberes Gewässer, damit sie ihren moderigen Geschmack verlieren. „Unsere Fische wässern sie zwei Wochen ab“, so Anita Wurm. Ihr Tipp an Kollegen: „Wenn beim Fisch was nicht stimmt, dann gleich reklamieren. Darauf reagieren die Züchter in der Regel sofort.“
Wie sieht es eigentlich mit der Vergleichbarkeit in einer Region aus, in der fast in jedem Gasthaus Karpfen auf der Karte steht? „Das ist nicht ganz einfach“, erzählt Anita Wurm. „Bei uns wird allerdings viel Karpfen gegessen, schon die Kinder wachsen damit auf. Aber jeder Wirt macht ihn ein bisschen anders. Wir backen ihn z.B. in einem Mehl-Bierteig mit Semmeldröseln goldbraun aus. Andere backen ihn in Mehl.“
Hinsichtlich der Karpfenvorlieben hat laut der Wirtin das Karpfenfilet zugenommen: „Vor 20 Jahren gab es das noch nicht, heute verkaufen wir zu etwa 2/3 Filets. Dazu wird das Fleisch eingeschnitten und die Y-Gräten zerschnitten, sodass es auch als „Schnitzel“ zubereitet werden kann.“ An die R-Monate hält man sich im Gasthaus Wurm. Hier übernehmen dann im Sommer Forelle und Zander die Regie.
Frischer Fisch von UNSER LAND
Erhalt der Lebensgrundlagen für Menschen, Tier und Pflanzen in der Region – dieses Ziel verfolgt die Vermarktungsinitiative „UNSER LAND“, die von Augsburg bis ins Werdenfelser Land aktiv ist. Dem Netzwerk angeschlossen sind auch zwei Fischzuchten. Die Fischzucht Ruf aus Wildbad/Leeder bietet mit Saiblingen und Forelle aus heimischen Gewässern schon seit 2007 eine Alternative zu vietnamesischem Pangasius, spanischer Dorade oder atlantischem Wolfsbarsch. Seit 2012 produziert auch die Fischzucht Sandau Forellen (eine der ältesten Fischzuchten in ganz Bayern) für UNSER LAND.
Als Besonderheit bleiben die Fische der beiden Züchter zwei Jahre in den quellwassergespeisten Teichen, ehe sie schlachtreif sind. „Durch das langsame Wachstum haben die Fische eine hervorragende Fleischqualität“, heißt es bei UNSER LAND. Auf Mastzugaben im Futter wird verzichtet. Außerdem verwenden die beiden Züchter eine besondere Futtermischung, die nur 30% Fischmehl enthält statt der sonst üblichen 60%. Stattdessen wird das Futter mit Weizen und Rapskuchen ergänzt, um das notwendige Eiweiß zu ersetzen. „So wirkt diese Futtermischung der Überfischung der Meere entgegen“, erklärt Werner Ruf, der die Mischung entwickelt hat.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal haben die beiden Züchter in ihrer Region dadurch, dass sie das komplette Produkt aus einer Hand bieten, vom Ei bis zum geräucherten Fisch.
Dass die Gäste regionale Produkte schätzen, muss eigentlich nicht lange erklärt werden. Eines der vielen Argumente lautet: Wenn die Gäste etwas über die Herkunft und Haltung wissen wollen, kann der Gastronom einfach sagen: Fahrt hin, schaut es Euch an und dann kommt wieder zu mir zum Essen.
Erschienen in Gastronomie-Report 3/2012
Links:
www.forellenhof-walgerfranz.de
www.fischhaus-wiesethgrund.de
www.gasthaus-wurm.de
www.sandau-forellen.de
www.unserland.info
Für weitere innovative Ideen für Gastro, Bar und Hotels empfehlen wir Ihnen ein Jahresabo des Gastronomie-Report.