Projekt Beschreibung
„The Stinking Rose“ in San Francisco
So ganz salonfähig ist Knoblauchgenuß bei uns nicht. Eine „Knoblauchfahne“ gilt als unfein, „Knoblauchfresser“ ist immer noch ein Schimpfwort. Deshalb verwenden unsere Gaststätten den Knofel nur mit größter Vorsicht. Eine Konzept-Idee aus Amerika zeigt, daß es auch anders geht: Im Restaurant „The Stinking Rose“ in San Francisco ist Knoblauch die gefeierte Hauptzutat der Speisen.
Amerikas Köche scheinen generell keine Hemmungen gegen das Liliengewächs zu haben. Schon lange haben sie erkannt, welche Gaumenfreuden mit Knoblauch gewürzte Speisen bereiten können. Im kalifornischen Städtchen Gilroy wird dem Knoblauch alljährlich gar ein Festival gewidmet, wo die Köche der Region ihre neuesten Knoblauchkreationen feilbieten. Vor diesem Hintergrund lag die Idee von Jerry Dal Bozzo, den Knoblauch zum allgegenwärtigen Mittelpunkt eines Lokals zu machen, fast auf der Hand. Er aber hatte diesen Einfall als erster.
Seine „Stinking Rose“, ein Spezialitäten-Lokal im Italoviertel North Beach in San Francisco, ist inzwischen so erfolgreich, daß bereits weitere Ableger in Los Angelos und NewYork geplant sind. Auch in Hongkong, Toronto und London bemühen sich Gastronomen um die Lizenz.
Das Erfolgsrezept klingt einfach: Das an der Grenze zu Chinatown gelegene Restaurant „würzt“seine Speisen monatlich mit nicht weniger als zwei Tonnen Knoblauch. Ohne die Wunderknolle würde sich die „stinkende Rose“ mit ihrer norditalienischen Küche nämlich nicht allzusehr von den unzähligen italienischen Restaurants im Viertel abheben. Gewagte Kreationen wie das Knoblauch-Eis oder die Knofel-Cocktails „Vampire Mary“ und „Garlic Ramos Fizz“ haben es aber in der ganzen Stadt zum Gesprächsthema gemacht und ständig neue Gäste angelockt.
Bei solchem Zulauf kann man sich auch etwas teurere Preise erlauben: Für einfache „Penne arrabiata“ mit kräftigem Knoblauchgeschmack werden ohne schlechtes Gewissen ein paar Dollar mehr als beim Italiener nebenan verlangt.
Knofelige Atmosphäre
Aber hinter dem Konzept des Restaurants steckt noch viel mehr als mit dem billigen und geschmacksintensiven Knoblauch eine außergewöhnliche Speisekarte zu gestalten. Auch dem Ambiente des Lokals wird durch den Knoblauch Leben eingehaucht: Eingerahmte Rezepte, Kochbücher und Knoblauch- Folklore schmücken das Lokal, dessen gemütliche Kerzenlicht-Atmosphäre die Gäste zum längeren Verweilen – und größeren Verzehr verlockt.
Einer der wichtigsten Erfolgsgründe des Restaurants ist das geschickte Marketing und Merchandising. Jerry Dal Bonzo gehen die Ideen nicht aus, möglichst viel Geld aus seiner Knoblauch-Idee herauszuholen. So können sich die Gäste nach dem Essen an der Verkaufstheke des Restaurants gleich mit Knoblauch-Souveniers und Delikatessen eindecken. Vom „Stinking Rose“-T-Shirt über Knoblauch-Öl bis zum Garlic-Kochbuch ist alles zu haben. Und jetzt sollen die „Stinking Rose“-Spezialitäten auch den Weg in die Supermärkte finden.
Kürzlich hat Dal Bonzo die „Stink Cooperation“ gegründet und verkauft bereits ein Knoblauch-Hühnchen-Sandwich in den Regalen der Supermärkte. Doch das ist nur der Anfang: Der vierbeinige Knoblauchfan wird bald die Knoblauch-Hundekuchen „Stinkers“ genießen können. Auf Zack ist der Erfolgsgastronom auch im Dienstleistungsbereich. Wie in fast jedem amerikanischen Lokal kann man hier die Knoblauch-Spezialitäten zum Mitnehmen bestellen -natürlich perTelefon und Fax. Den hungrigen Angestellten der umliegenden Büros bietet Dal Bonzo mittags einen ganz besonderen Service: Sie werden zum Lunch mit den Limosinen des Restaurants abgeholt.
Bei soviel Engagement ist es kein Wunder, daß sich der Umsatz des noch relativjungen Restaurants vergangenes Jahr um 50 Prozent gesteigert hat. Im Klartext: Letztes Jahr erwirtschaftete die „Stinking Rose“ 3,6 Millionen Dollar!
„Ist denn den spinnerten Amis ein stinkender Atem ganz egal?“, wird sich so mancher heimische Gastronom jetzt fragen. Ganz und gar nicht. Die auf frischen Atem bedachten Gäste der „Stinking Rose“ brauchen sich keine Sorgen machen. 12.000 Pfefferminz-Bonbons verschlingen die Gäste der stinkenden Rose im Monat. Dies sorgt dafür, daß auch der karrierebewußteste Manager in der Mittagspause sein Lieblingsknoblauchgericht genießen kann, ohne am Nachmittag sämtliche Verhandlungspartner abzuschrecken oder eine Sekretärin in den Wahnsinn zu treiben.
Ob man wohl bei uns mit Schweinebraten-Knoblauch-Kreationen das große Geld machen könnte? Auf einen Versuch käme es an. Zumindest gibt es keinen Grund, warum man den Knoblauch nicht aus der Ethno-Nische herausholen sollte.
Dieses Gastro Konzept ist erschienen im Gastronomie-Report 3/93
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