Projekt Beschreibung

Restaurant Goldener Apfel, Mörfelden

Wenn Dracula zum Leichenschmaus bittet.
Das knusprig gebratene Schweinefilet hängt – stilvoll abgebunden – an einem kleinen Galgen. Serviert wird es „an einem Bett von Kartoffeln und Gemüse“ – selbstverständlich liebevoll angerichtet im Holzsärgchen mit Deckel. Dracula höchstpersönlich präsentiert am Tisch Erlesenes aus der Gruselküche.

All das passiert, wenn Simone Bernschein (Kellnerin), Andre Stark (Kellner) und Thomas Schroll (Chefkoch) im Restaurant „Goldener Apfel“ im südhessischen Mörfelden bei Frankfurt zu ihren „Vampir-Wochen“ laden.
„Erlebnisgastronomie – pur“, so lautet dann das Motto des findigen Trios, das von dem Lokalbesitzer Erwin Messmer nach Kräften unterstützt wird. Messmer freut sich über seine besonders einfallsreichen Mitarbeiter und hat es genehmigt, daß sie den Gästen das Schaudern beibringen.

Gänsehautfördernde Gags
Die Idee zu diesen ungewöhnlichen, vor skurrilen Einfällen und Gags strotzenden kulinarischen Wochen im „Goldenen Apfel“, der der mittleren bis gehobenen Kategorie angehört, hatten Bernschein, Stark und Schroll nach einem Berlin-Abstecher. Dort ließen sie sich von der breiten Palette erlebnisgastronomischer Möglichkeiten dazu anregen, es auch einmal „anders“ zu versuchen. Die immer gleichen „Chinesischen Wochen“ oder Knoblauch-, Steak- und Fisch-Aktionen in der Gastronomie erschienen den Dreien nicht mehr zugkräftig genug. „Die meisten Gastronomen belügen sich selbst damit. Sie reden sich womöglich ein, daß das Geschäft saisonbedingt ruhig verläuft. Aber: Mit Nichts kann kein Geld verdient werden. Wenn ich etwas erreichen will, muß ich investieren.“ Das sagte sich Messmer, als er seinem, seit sechs Jahren eingespielten Team Mut machte, ein außergewöhnliches Konzept für den „Goldenen Apfel“ zu entwickeln.
Im gemeinsamen Brainstorming unterstützt durch diverse sondierende Telefonanrufe unter anderem bei einem Scherzartikelgeschäft und durch Besuche in der Requisite des Darmstädter Stadttheaters, wurde klar: Alle standen sie hinter dem schauerlich- „Vampir-Wochen“: Der Tod ißt in Mörfelden mit schönen Einfall von Bernschein, Stark und Schroll. Und so verwandelte sich der erste Stock des renovierten alten Fachwerkhauses, in dem das Restaurant „Goldener Apfel“ untergebracht ist, alsbald in ein transsylvanisches Gruselkabinett.
Ein sechs bis achtgängiges Dracula-Menü zu 40 bis 60 DM wurde erdacht, gänsehautfördernde Gags von Gang zu Gang inklusive. Schmerzensschreie hallen, Nebelschwaden wallen, und im Schein der Grablichter entwickeln manche Gerichte eine fatale Ähnlichkeit mit abgetrennten Gliedmaßen.
Da kann der geneigte Gast bei stilvollem Kerzenlicht und düster-gruftiger Atmosphäre in einer schwarzen, mit goldener Schrift beschriebenen sargförmigen Speisekarte auswählen. Aus der Knoblauchsuppe, der „Anti-Vampir-Suppe“, muß schon mal das Draculagebiß gefischt werden, bevor man sie genießen kann. Der Rotwein wird aus einer Infusionsflasche gezapft, die über dem Tisch an den rustikalen Deckenbalken hängt und bei einem Großversand für Krankenhausbedarf erhältlich ist. Und wer als Dessert ein „Zersägtes Mordopfer mit Blutklumpen“ bestellt, bekommt einen Kaiserschmarrn.
Nichts für schwache Nerven, fürwahr. Doch die „Vampir-Wochen“ – jetzt zum zweiten Mal veranstaltet – schlugen voll bei den Gästen ein. „Wir haben inzwischen rund 800 Ansprechpartner aus allen Teilen der Bundesrepublik erfaßt, die vor den nächsten Erlebnis-Wochen verständigt werden wollen“, bilanziert Andre Stark gegenüber dem GASTRONOMIE-REPORT. Bei soviel Aufwand, den das Bedienungs-und Küchenpersonal hat, kann man sich nur schwer vorstellen, daß der“Goldene Apfel“ mit Dracula & Company Reibach machen kann. Erwin Messmer korrigiert diese Annahme: „Viele meiner Kollegen in der Gastronomie wollen es uns nachmachen, aber nur wenige sind bereit, das Geld dafür zu investieren. Ich finde, daß sie falsch rechnen. Man sollte bei solchen Aktionswochen nicht nur den kurzfristig erzielten Umsatz im Auge haben, sondern auch die langfristige positive Werbewirkung für das eigene Lokal.“

Jack the Ripper läßt grüßen
Der Südtiroler betrachtet den „Goldenen Apfel“ übrigens als abendlichen Ausgleich seines Tagwerkes.Tagsüber widmet er sich nämlich seiner Immobilienberatungs-Firma mit drei Mitarbeitern. Doch dank seiner motivierten und eingespielten Mannschaft funktioniert beides blendend. Im März 1994 werden übrigens erneut kulinarische Wochen mit vielen haarsträubenden Überraschungen geboten. Tischreservierungen für die 90 Plätze werden seit Wochen entgegengenommen. Wieder wird beste Speisenqualität geboten. Wieder wird es ein neues Programm geben, weil man keinen

Dieses Gastro Konzept ist erschienen im Gastronomie-Report 2/94

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