Projekt Beschreibung

„gekü“ in München

Wo Nährwerte die Hauptrolle spielen!
Die gesunde Küche hat in München eine neue Adresse. Mitte März hat unweit vom Goetheplatz das „gekü“ (= gesunde Küche) aufgemacht. Das für Deutschland neuartige Konzept steht auf den vier Säulen: Natürlichkeit, Saisonalität, Regionalität/Ökologie und schonende Zubereitung. Es richtet sich an Gäste, die aus unterschiedlichen Gründen darauf achten (müssen), was auf ihren Teller kommt.

Die Idee klingt einfach und vielversprechend, die Umsetzung hat Wirt Udo Bachmeier jedoch vor allerlei Herausforderungen gestellt. Da es bislang noch kein vergleichbares Restaurant für Menschen mit besonderen Ernährungsbedürfnissen gibt, musste Bachmeier zunächst mal aufwendige Pionierarbeit leisten und alles selber austüfteln.

Es gibt zwar bereits Restaurants, die z.B. lactose- und glutenfreie Gerichte anbieten. Es gibt auch Lokale, die sich speziell an Veganer richten. Und frische, regionale Küche ist selbstredend keine Erfindung von Bachmeier. Aber ein Konzept, das Allergiker, Diabetiker, Veganer und generell ernährungs- und umweltbewusste Gäste an einen Tisch bringt, ist einzigartig.

Laut DAAB (Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V.) leben in Deutschland ca. 5 Millionen Lebensmittelallergiker. Gerichte, die jeder Allergiker per se essen kann, gibt es nicht, die Spannbreite der Auslöser ist zu groß. Den Fokus hat Udo Bachmeier deshalb auf gluten- und lactosefreie, vegetarische sowie vegane Gerichte gelegt. Die jeweiligen Speisen sind durch kleine Symbole in der Speisekarte gekennzeichnet, so dass die Gäste auf einen Blick sehen, welche Gerichte sie essen können.

Damit auch die „echten“ Lebensmittelallergiker (Intoleranzen sind medizinisch gesehen keine Allergie) unbesorgt zulangen können, arbeitet das „gekü“ nach der einfachen Formel: Alles wird frisch zubereitet, auf vorgefertigte Lebensmittel mit deklarierungspflichtigen Zutaten wird verzichtet. Auf diese Weise können die Küchencrew und das Servicepersonal dem Gast verlässlich Auskunft geben, ob bestimmte, allergieauslösende Zutaten im Gericht enthalten sind oder nicht.

Dazu mussten nicht nur geeignete Lebensmittel und Lieferanten aufgespürt werden. Unter der Regie von Küchenchef Ralf Mittmann sind im „gekü“ viele neue Rezepte kreiert worden. Ab und zu stößt die Küche dennoch an ihre Grenzen. Eine glutenfreie Pizza ist im gekü z.B. überhaupt kein Problem. „Wir verwenden einen Mais-/Kartoffelteig“, so die Auskunft von Bachmeier. Eine Pizza Prosciutto wird es dagegen nie geben. „Es gibt keinen Schinken, der frei von Zusatzstoffen ist!“ Also ist die Prosciutto gestrichen. Aus dem gleichen Grund kommt auch keine Wurst auf den Teller.

Um die unterschiedlichen Ernährungsansprüche der vielschichtigen Zielgruppe optimal erfüllen zu können, hat Bachmeier mit Ralf Mittmann einen auf Diätküche, Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten spezialisierten Küchenchef eingestellt. Ihm zur Seite steht eine Diätassistentin und als zweiter Koch Mike Balthasar, ein versierter Profi in Sachen fleischlose Küche. Das mehrsprachige Service-Personal wirkt gut geschult. Wenn Gäste fragen, ob das Fleisch paniert ist und womöglich Hühnereiweiß enthält, oder Salatdressing mit Senfpulver abgeschmeckt wurde, werden sie nicht mit großen Augen angeschaut. Entweder die Bedienung weiß die Antwort oder es wird in der Küche nachgefragt. Für Beratungsgespräche kommt Mittmann auch gerne persönlich an den Tisch.

Noch mal zurück zum Thema Lebensmittelbeschaffung: Eine längere Odyssee nahm Bachmeier bei der Suche nach Weinen ohne Schwefelzusatz auf sich. „Die Weinhändler haben alle die Schultern gezuckt und mich ratlos angeschaut, keiner konnte mir weiterhelfen“, berichtet der gelernte Hotelkaufmann. Hilfe bekam er schließlich von unerwarteter Stelle, von seiner Brauerei! Paulaner Consulting stellte den Kontakt mit der Weinkellerei Hans Gerhard Hilgert aus Rheinhessen her. Von dort bezieht das „gekü“ jetzt mehrere schwefelfreie Weine.

Leichte Küche spielt im „gekü“ eine große Rolle. Für Gäste, die die Kalorien im Auge behalten wollen, wird in der Speisekarte der Nährwert der Gerichte angegeben. In einer kleinen Übersichtstabelle ist der Gehalt an Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten, Gesamtkalorien und Broteinheiten dargestellt. Sogar bei den Getränken behalten die Gäste den Überblick, wie viel Joule sie konsumieren und welches Bier vitaminreicher ist. Udo Bachmeier stolz: „Wir haben die erste Bierkarte mit Vitamin- und Nährstoffangaben!“

Ähnlich wie beim Konzept „Wir kochen ohne Zusatzstoffe“ steckt auch bei den Nährwert-angaben der Teufel im Detail. Das liegt nicht an den Nährwertberechnungen an sich – die beherrscht Bachmeier aus dem eff-eff (und bietet diesen Service mit seinem Beratungsunternehmen EcoVitae-hotel-services auch Kollegen an). Die Schwierigkeit war, die Berechnungen mit der Gastro-Realität in Einklang zu bringen. Konkret gesagt: Es muss darauf geachtet werden, dass die Nährwerte nicht durch unterschiedliche Portionsgrößen oder lange Warmhaltezeiten schwanken. Denn dann wäre auch die schönste Berechnung für die Katz.

„Wir berechnen die Nähr- und Energiewerte pro Portion, daher müssen die Portionsgrößen einheitlich sein“, erläutet Bachmeier. „Diese Genauigkeit kommt uns bei der Preiskalkulation zugute.

Ganz akkurat geht’s bei der Zubereitung zu. Im „gekü“ werden alle Gerichte frisch und schonend zubereitet (wochentags von 11.30 bis 22 Uhr!). Bei der Portionierung der Beilagen kommen besondere Schöpfkellen und Ringe in verschiedenen Größen zum Einsatz. Bei der Zubereitung von Fleisch schwört Bachmeier auf das Vakuumgaren im „Selfcooking Center“ der Fa. Rational. „Durch das Vakuumieren kann nichts aus dem Gargut austreten, die Nährstoffe bleibt bestmöglich erhalten und das Portionsgewicht ändert sich nur minimal“, so der „gekü“-Wirt. „Die Sous vide-Methode erleichtert uns zudem die Vorratshaltung des Fleisches, das wir frisch aus dem Chiemgau beziehen.“

Wer etwas Neues bietet, muss damit rechnen, dass es eine Weile dauert, bis die Botschaft bei der Zielgruppe ankommt. Als wir das „gekü“ gut einen Monat nach der Eröffnung besuchten, lautete das Zwischenfazit von Udo Bachmeier. „Unter den Allergikern spricht es sich eher langsam herum, dass es uns gibt.“ Die erhoffte Zusammenarbeit mit dem DAAB und anderen Selbsthilfegruppen war aber noch nicht so richtig in Gang gekommen.Dafür kommt das kleine Restaurant mit freundlichem Ambiente bei einer anderen Zielgruppe glänzend an. „Wir beobachten, dass sich zunehmend Mütter mit Babys bei uns zum Essen treffen“, freut sich Bachmeier. Das dürfte nicht nur an der natürlichen Küche liegen. Im „gekü“ können sich Mütter z.B. zum Stillen und Wickeln in ein kleines Zimmer mit Sofa zurückziehen.
Das Ambiente im Restaurant, in frischen Grüntönen gehalten, wurde von Bachmeiers Ehefrau, der Künstlerin Sissy von Ingenheim-Molitor, gestaltet. Von ihr sind auch die Bilder an den Wänden. Und wenn man’s genau nimmt, ist ihr letztlich sogar das ganze „gekü“ zu verdanken. Da sie selber Allergikerin ist und das Paar die damit verbundenen Probleme bei Lokalbesuchen nur zu gut kennt, entstand die Idee, ein Restaurant zu eröffnen, das sich der Philosophie des gesunden und natürlichen Essens verpflichtet fühlt und in dem Allergiker unbeschwert genießen können.

Erschienen in Gastronomie-Report 5/2011. Ende 2012 wurde das gekü geschlossen.

Foto: Krutoff

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