Projekt Beschreibung

Gastro-Gemeinschaft „Tafernwirte“, Tölzer Land

„Gemeinsam sind wir 10x stärker!“ – Im Hotelmarkt wird heftig über die Expansion der Ketten-Hotellerie zu Lasten der inhabergeführten Häuser diskutiert. Aber auch in der Gastronomie gewinnen System- und Franchise-Betriebe immer mehr an Gewicht. Der klassische Wirt gerät als Einzelkämpfer in die Defensive. Wie man die Unabhängigkeit bewahren und trotzdem von den Vorteilen eines Zusammenschlusses profitieren kann, zeigen die „Tafernwirte“ vom Tölzer Land.

„Der Sinn und Zweck der Kooperation ist, in geschäftlich ruhigen Zeiten durch Aktionen den wirtschaftlichen Erfolg der Betriebe zu steigern, die beteiligten Betriebe zu einer Gemeinschaft zusammen zu führen und sich gegenseitig im fachlichen Bereich zu stärken.“
So beginnt die „Ambacher Erklärung“, die am 2. März 1998 von zehn Wirtinnen und Wirten aus dem Tölzer Land unterschrieben worden ist. Was heute im Trend liegt, haben sich die „Tafernwirte aus dem Tölzer Land“ bereits bei ihrer Gründung vor mehr als 14 Jahren auf die Fahnen geschrieben: die regionale und saisonale Küche gemeinsam zu vermarkten!
14 Jahre sind in der schnelllebigen Gastronomie eine kleine Ewigkeit. Wie putzmunter die Botschafter der regionalen Küche immer noch sind, zeigte sich z.B. im Herbst letzten Jahres beim großen „Bauernmarkt“ in München. Dort kochten auch Gastronomen aus allen Teilen Bayerns für die Tausenden von Besuchern auf. Oberbayern wurde durch die „Tafernwirte“ Johann Oberhauser vom Gasthof Hotel Oberhauser in Egling und Michael Wendl vom Landhotel Huber am See in Ambach vertreten.

„Wir hatten bei unserer monatlichen Sitzung darüber gesprochen. Machen wir das? Wer macht’s?“, erzählt Johann Oberhauser. „Der Michael (Wendl) hat mich angeschaut und gemeint, dann geh‘ mal hinterher noch weg in Minga, und damit war die Sache klar.“

Hinter solch einem Auftritt steckt ein logistischer Kraftakt. „Wir haben uns einen Kühlwagen ausgeliehen und waren am Sonntag um 7 Uhr morgens vor Ort am Münchner Odeonsplatz“, so Johann Oberhauser. Das Essen sollte regionalen Bezug haben und nach Möglichkeit direkt an die Besucher verkauft werden können, um den Aufwand mit Geschirr und Besteck zu minimieren.
Die Tafernwirte entschieden sich für „Kälberne Fleischpflanzerl vom Freilandkalb auf bayerischen Kartoffelsalat“, und „Bayerischer Matjes vom Starnberger See Saibling im Bauernweckerl“. „Das kam so gut an, dass wir um 14.30 Uhr total ausverkauft waren“, erzählt Oberhauser lachend. „Es war ein ganz schöner Aufwand, aber auch eine Riesengaudi.“
Wichtiger Nebeneffekt: An diesem Tag haben die Tafernwirte in München rund 1.500 Prospekte verteilt. „Einige der Besucher vom Bauernmarkt waren inzwischen bei uns zu Gast und erzählten, dass sie uns auf dem Bauernmarkt kennengelernt haben. Solche Aktionen sind einfach eine tolle Reklame für die Tafernwirte.“

Auch am Anfang stand eine Aktion – eine „kulinarische Europareise“. Hans Hofherr vom Posthotel in Königsdorf wollte diese Aktion 1998 nicht allein, sondern gemeinsam mit Kollegen machen. Also schrieb er 24 (aus seiner Sicht potentiell geeignete) Gasthöfe aus dem Landkreis an. Letztlich blieben zehn Betriebe übrig, die gemeinsam die Spezialitätenwochen mit großem Erfolg durchführten. „Da haben wir gemerkt, dass wir gemeinsam stärker sind“, erzählt Hans Hofherr. Aus einer Einzelaktion entwickelte sich ein enger Zusammenschluss, für den Hofherr Leitlinien und die eingangs zitierte „Ambacher Erklärung“ entwickelte.
Bei der Namensfindung erinnerte man sich daran, dass früher Wirtshäuser, die neben Getränken auch die ganze Vielfalt der Küche kredenzen durften, das „Tafernrecht“ hatten. An diese Tradition knüpften die Wirte aus dem Tölzer Land mit dem Namen „Die Tafernwirte vom Tölzer Land – echt und grod“ an. Alle Mitglieder sind traditionsreiche Gaststätten, die von den Eigentümerfamilien selbst geführt werden.

Ein gemeinsamer Veranstaltungskalender mit Klassikern wie den „Kulinarischen Reisen“ oder dem „Tölzer Bauernmarkt“ ist ein integraler Bestandteil des Zusammenschlusses geblieben. Wobei es nicht nur um eigene Aktionen geht. „Ein wichtiges Motiv bei der Gründung war, dass wir als Gemeinschaft große Events an Land ziehen können, die einen einzelnen Betrieb überfordern“, so Hans Hofherr. Diese Rechnung ist voll aufgegangen.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist das gemeinsame Marketing. So treten die „Tafernwirte“ mit einer gemeinsamen Homepage auf (natürlich mit Links zu jedem einzelnen Betrieb), die durch Gutscheinbeststellung, Veranstaltungskalender, monatlichen Tafernwirt-Rezepten und einem regelmäßigen Newsletter großen Anklang bei den Gästen findet. Seit 2008 haben die Tafernwirte ihr Marketing noch weiter professionalisiert und dafür die Fa. DÜSTERHÖFT CONSULTING aus Garmisch-Partenkirchen verpflichtet.

Ein Gemeinschaftsprospekt, der regelmäßig an die Touristinformationen und die Vermieter im Tölzer Land verteilt wird, Kritikkärtchen für ein gelebtes Reklamationsmanagement (die in jedem Betrieb ausliegen) und jahreszeitliche Aktionen wie Plätzchenrezepte zu Weihnachten und Kräuterrezepte im Frühjahr runden das gemeinsame Angebot ab.
Was anderswo am Konkurrenzneid scheitert, ist im Tölzer Land Wirklichkeit geworden: Wenn jeder für den anderen Werbung macht, kommt unterm Strich für alle mehr heraus.
Alle Synergie-Effekte, die eine funktionierende Gemeinschaft bietet, können hier gar nicht aufgezählt werden. Beim Thema „gemeinsamer Einkauf“ geht es übrigens nicht nur um Kostenersparnis für die Wirte. Auf ihrer Website präsentieren die „Tafernwirte“ unter der Überschrift „Auszug aus unserer Lieferantenliste“ eine Vielzahl ihrer regionalen Partner (bei Fleisch, Wild, Fisch, Schwammerln, Käse, etc.) Im Sinne einer kleinteiligen, nachhaltigen Produktion sind die „Tafernwirte“ für die regionalen Hersteller als feste Absatzgröße natürlich Gold wert.
Aber wenn man die „Tafernwirte“ fragt, was das Wichtigste ist, erhält man stets die gleiche Antwort: unsere monatlichen Treffen! „Die Gespräche untereinander sind das wichtigste“, so stellvertretend Johann Oberhauser. „Jeder erzählt von seinen Problemen und merkt, dass es den Kollegen ganz ähnlich geht. Gemeinsam findet man viel leichter Lösungswege.“
Erscheinen ist übrigens Pflicht. Wer nicht kommen kann, zahlt einen Obolus in die gemeinsame Kasse. Da versteht Hans Hofherr keinen Spaß. Der „Senior“ der Tafernwirte ist nach wie vor der Sprecher und Kopf der Kooperation, auch wenn er mittlerweile seinen Hotel- und Gastro-Betrieb sowie die Metzgerei erfolgreich an die nächste Generation weiter gegeben hat.
Der Hotelier aus Königsdorf war lange Zeit auch der Vordenker des BHG in Sachen Umweltschutz. Da ist es keine Überraschung, dass alle Mitglieder der „Tafernwirte“ Träger des „Umweltsiegels“ sind. Seit letztem Jahr haben alle Betriebe auch eine Elektro-Radlstation zum kostenlosen Aufladen von Elektrorädern. Derzeit wird gemeinsam mit der Hotelfachschule Garmisch-Partenkirchen das Projekt „Genussradln von Tafernwirt zu Tafernwirt“ umgesetzt.

Eine langjährige Tradition hat das soziale Engagement der „Tafernwirte“. Vor kurzem wurde dem Verein „Paten für Kinder“, der im Landkreis Bad Tölz Kindern in bedrängter Lage hilft, eine Spende von 800 Euro übergeben – der Betrag ist der Erlös der Bauernmarkt-Aktion in München!
Was ist zu beachten, damit sich ein Zusammenschluss wie die „Tafernwirte“ in der Praxis bewährt? „Die Betriebe einer Vereinigung dürfen nicht zu weit auseinander liegen“, so der erste Tipp von Hans Hofherr. „Über die Landkreisgrenzen sollte man nicht hinausgehen.“
Genauso wichtig nach den Erfahrungen von Hans Hofherr: „Wenn Neuerungen eingeführt werden, ist es wichtig, dass alle einverstanden sind. Wenn man bei wichtigen Fragen nur auf Mehrheitsentscheidungen setzt, kommt schnell böses Blut auf. – Und: Bei den Treffen darf ruhig heiß diskutiert werden. Aber wichtig ist, dass man nicht im Streit auseinandergeht.“

Die Philosophie der Tafernwirte
Wir sind 10mal leistungsstärker.
Wir sind 10mal kompetenter in der Aussage.
Wir sind 10mal freundlicher im Service.
Wir sind 10mal bekannter in Presse und Rundfunk.
Wir sind 10mal besser im Preis-/Leistungsverhältnis.
Wir haben ein 10mal besseres Image in der Öffentlichkeit.
Wir haben ein 10mal mehr Wissen durch Weiterbildung.
Wir können 10mal günstiger Einkaufen.
Wir können 10mal besser Probleme lösen.
Wir können 10mal besser feiern.

Wer dazugehört
Gasthof Herzogstand, Josef Ressl, Benediktbeuern
Seehotel Grauer Bär, Hans Sebald, Kochel am See
Hotel-Gasthof Der Altwirt, Ursula Werner, Langgries
Landhotel Huber am See, Michael Wendl, Ambach
Landgasthof Hotel Reindlschmiede, Rudolf Rohrmoser, Bad Heilbrunn
Gasthof Hotel Oberhauser, Hans Oberhauser, Egling
Posthotel Hofherr, Familie Hofherr, Königsdorf
Klosterschänke, Familie Haindl, Dietramszell
Forellenhof Walgerfranz, Monika Poschenrieder, Bad Tölz
Klosterbräustüberl Reutberg, Familie Haindl, Sachsenkam

Erschienen in Gastronomie-Report 5/2012

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