Projekt Beschreibung

Café Lindenwirt, Grünwald

Gäste, die ursprünglich nur einen Kaffee trinken und ein Stück Kuchen essen wollten, dann jedoch ins Reden, Philosophieren, Diskutieren eraten und verweilen und verzehren und verweilen und erzehren… was will der Gastronom mehr?

Aber wie soll man das Publikum an sein Lokal fesseln? Welche Erlebnisse soll man bieten? Das fragt sich der Unternehmer. Vor diesen Überlegungen standen auch Friederike und Bernd Kühner, die jungen Wirte vom Café Lindenwirt in Grünwald. Ihre Schlußfolgerung: „Kunstobjekte müssen her!“ Der bisherige Erfolg gab ihnen recht.

Seit der Eröffnung des Lokals am Isar-Hochufer im Juli 1993 stoßen die Besucher in den Räumlichkeiten auf anspruchsvolle Ausstellungen verschiedener Künstler, die alle paar Monate ausgewechselt werden. Kühner achtet darauf, daß es sich um Arbeiten ohne Problemlastigkeit, mit künstlerischer Substanz und positiven Botschaften“ handelt. Die in Tutzing lebende Malerin und Fotografin Inea Gukema machte für mehrere Monate den Anfang. Sie präsentierte Bilder auf Gipsgrund mit Pigmentauflage, die in Objektkästen und nicht in Rahmen zur Schau gestellt wurden. Ab Oktober 1993 kamen die Bilder der 1992 verstorbenen Künstlerin Anna Thorwest zum Zuge. Die Malerin zeichnete vornehmlich geometrische Formen in Schwarzweiß und Buntstift. Und seit einigen Monaten buhlt erstmals ein männlicher Künstler um Aufmerksamkeit.

Kunst regt Gäste an und auf
Die Erfahrungen der Wirtsleute Kühner mit Kunst in der Gastronomie sind rundherum positiv. „Erstaunlicherweise“, bilanziert Bernd Kühner,“werden die Bilder gerade von den Senioren – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – zustimmend aufgenommen. Diejenigen, die auf Salzburger Kaffeehausatmosphäre mit rosa Plüsch stehen, gehen eben weiter zur Konkurrenz. Die angenehmeren, moderner eingestellten Senioren gehören zu unseren Gästen.“ Doch nicht nur die, sondern auch und gerade Familien mit Kindern sowie Geschäftsleute und Filmschaffende der nahegelegenen „Bavaria“-Studios.
Für die Kinder halten die Kühners – selbst frischgebackene Eltern – eine Rutsche von attraktiver Länge und eine großzügige Spielecke bereit – außerdem Pfefferminz-Eis. Fast jeden Tag im Sommer hatten sechs kleine Rabauken aus der Nachbarschaft den „Lindenwirt“ aufgesucht und Eis bestellt. Irgendwann wurden sie dann von der Chefin gefragt, welche neue Sorte sie sich wünschen würden. So wurde das Grünwalder Pfefferminz-Eis geboren. Die erwachsenen Gäste haben es natürlich etwas weniger auf kalte Köstlichkeiten abgesehen. Sie erfreuen sich mehr an der gemütlichen, schnörkellosen, modernen Innenausstattung des „Lindenwirts“, an den Naturholzmöbeln, den formschönen Leuchten an weißen Wänden – und eben an den Kunstwerken.
Kunst regt die Gäste an, fördert ihre Kreativität und Lebenslust. Aber ihre Wirkung verpufft allzu leicht, wenn Mensch, Raum und Kunst in keinem harmonischen Verhältnis zueinander stehen.
Die oberflächliche Ausstattung mit Dekorationskunst kann leicht ein Schuß sein, der nach hinten los geht. Das kann also kontraproduktive Folgen haben. Anstatt Atmosphäre zu schaffen oder zu verstärken, passiert es womöglich, daß ein sensibles Konzept zerstört wird. Das ahnte Bernd Kühner von Anfang an. Sein offenherziges Eingeständnis: „Ich hätte beispielsweise nicht gewußt, in welcher Anordnung die Objekte anzubringen sind, um der Aussage des Künstlers wirklich gerecht zu werden.“ Der Gastronom verzichtete auf Experimente bei der Auswahl und der Plazierung von Kunstwerken, spannte stattdessen eine professionelle Kunstberaterin für seine Zwecke ein.

Individuelle Lösungen
Eva Müller-Raß aus Grünwald kann auf fast ein Jahrzehnt Ausstellungs-Erfahrung im Kunstbereich zurückblicken. Im Frühjahr 1993 machte sie sich auf dem noch jungen Feld der Kunstberatung selbständig. Noch vor der „Lindenwirt“-Einweihung setzte sie sich mit Bernd Kühner und seiner Frau zusammen, lotete die künstlerische Richtung aus, die eingeschlagen werden sollte, analysierte und beriet. Eva Müller-Raß erklärt: Bei Kunst in der Gastronomie sind individuelle Lösungen nötig. Man darf nicht den Fehler begehen, zu glauben, bei Kunstwerken sei es ziemlich gleichgültig, in welchem Lokal sie hängen. In den einen Betrieb passen Bilder von Inea Gukema und Anna Thorwest hervorragend hinein, in den anderen nicht.“
Professionelle Kunstberater wie Frau Raß können wohl eher als die meisten Menschen (und eher als die Masse der Gastronomen und Hoteliers) beurteilen, welche Kunst sich mit der jeweiligen Untemehmensphilososophie am besten vereinbaren läßt. Sie kennen viele Künstler im In- und Ausland, die in verschiedenen Stilrichtungen und Kunstformen zuhause sind und die ihre Produkte leihweise oder gegebenenfalls auch dauerhaft entbehren würden.

Für jeden Geldbeutel
„Für jeden Anspruch, jedes Konzept, jede Einrichtung werden von uns geeignete Kunstwerke
besorgt“, sichert Eva Müller-Raß zu. Und nicht nur das. Auch Gastro-Unternehmer mit schmalerem Geldbeutel oder kleinerem Werbeetat, die für Kunst im Lokal nicht soviel investieren wollen oder können, würden zufriedengestellt. Denn die Honorierung der professionellen Kunstberater werde genauso individuell gehandhabt wie deren Arbeitsweise; sie richte sich nach den Aufwendungen und Notwendigkeiten im Einzelfall. Eva Müller-Raß will den Gastronomen und Hoteliers Mut machen, sich durch Kunst-Förderung gegenüber den Mitbewerbern zu profilieren. „Engagement fürdie Kunst von Leute ist Einsatzfürden Gewinn von morgen“, stellt Eva Müller-Raß fest. Der Unternehmer könne sich als Kultur-Sponsor in seinem Heimatort hervortun, und das Publikum danke ihm, „wenn er es zur aktiven Auseinandersetzung mit Kunstwerken animiert“.
Bernd Kühner kann das nur bestätigen. „Immer wieder“, schildert der „Lindenwirt“-Gastronom, „kommen Leute herein, die schon einmal bei uns eine Zeche gehabt haben und Bekannte mitbringen, denen sie bestimmte Bilder an unseren Wänden zeigen wollen.“ Und meistens bleiben diese Besucher dann zumindest für ein Stück Kuchen und ein Haferl Kaffee – oder länger.

Dieses Gastro Konzept ist erschienen im Gastronomie-Report 3/94
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