Projekt Beschreibung

Amarine & La Criée, Frankreich

Wie man mit Seafood ein Massenpublikum begeistert – Fisch essen kann man sicherlich in vielen bayerischen Lokalen, aber renommierte Fischlokale haben hierzulande fast schon den Status von bestaunten Exoten. Wie man im Binnenland Gäste für Seafood begeistern kann, ja wie man ganze Restaurant-Ketten aufbauen kann mit der Konzentration auf ein Produkt (Fisch-Kompetenz!), zeigen im Großraum Paris die „Amarine-“ und die „La Criée“-Lokale. Das Interessante dabei: Die Gäste werden mit völlig unterschiedlichen Konzepten eingefangen.

Wenn man ein Wort für den Erfolg der „La Criée“-Lokale finden wollte, dann lautet es „Vertrauen“. Fisch ist gastronomisch gesehen eine schwierige, diffizile Sache, bei der man einiges falsch machen kann und mit der nicht selten Schindluder getrieben wird. Und manchmal „stinkt“ die Sache sogar. Davon ist in „La Criée“-Lokalen nichts zu riechen und nichts zu sehen. Da wird höchstes Augenmerk auf Sauberkeit und Reinheit gelegt. Und dieser Eindruck wird dem Gast vom ersten Moment an vermittelt. Da gibt’s keine schummrigen Ecken, da ist alles hell, klar, wirkt wie frisch geputzt und aufgeräumt. Im „La Criée wird Seafood clean, straight und hygienisch fast klinisch einwandfrei geboten.

Daß es hier um Seafood und um nichts anderes geht, wird dem Gast schon von draußen klar gemacht. In Vitrinen werden die kulinarischen Köstlichkeiten der Meere (Krebs, Muscheln, etc.)auf Eis präsentiert – ein phantastischer Anblick, der sofort Appetit macht. Tote Fischaugen, die abschreckend wirken könnten, sucht der Gast allerdings vergeblich. Gleich am Eingang steht ein großes Bassin, das ebenso die Lust auf Fisch anregt.

Im Lokal verteilt und perfekt in die Wände und Säulen integriert sind 12 Bildschirme, über die ohne Ton ein Endlosband flimmert. Es gibt nur ein Programm – die Faszination des Wassers: Klippenspringer, Paraglider, Surfer, Paddler auf dem Amazonas, Wasserfälle, romantische Bäche… Die Stimmung wechselt zwischen Spannung, schwindelerregenden Attraktionen und ruhigen, beruhigenden Bildern. Die Botschaft ist klar: Wasser ist Leben! Was aus dem Wasser kommt, ist gut, rein und schön.

Zyniker und Gourmets mögen das alles für ein Fake halten. Was in den Bassins schwimmt und in den Vitrinen die Augen erfreut, ist nicht für die Gäste gedacht. Die Küchen der „La Criée“-Lokale sind reinste „Finishing-Centers“. Da wird kein Frischfisch geputzt, geschuppt oder zerlegt, da wird vorgefertigte Top-Convenience servierfertig gemacht. Vorproduziert wird dort, wo der Fisch gefangen wird, größtenteils in Afrika. Die „La Criée-Kette“ verfügt über modernste Produktionsstätten, in denen das Seafood küchenfertig gemacht und dann schnellstens zu den Lokalen verfrachtet wird – in der Regel bereits portioniert und vacuumiert. (Was Block House in Deutschland mit Fleisch und Saucen macht, läßt sich also auch auf Fisch übertragen).

Die Vorteile eines solchen Systems liegen auf der Hand liegen: Vielfalt, Verfügbarkeit, gleichbleibend hohe Qualität, geringere Kosten, nicht zuletzt weil in den „La Criée“-Küchen mit relativ ungeschultem Personal gearbeitet werden kann. Und der Gast hat die Gewähr, daß er in jedem der 26 „La Criée“-Lokalen ein hochwertiges Essen ohne Qualitätsschwankungen serviert bekommt. Das System klappt so perfekt, daß die „La Criée“-Macher inzwischen auch als Lieferanten für andere Gastro-Betriebe tätig sind – als Reaktion auf die ständigen Anfragen.

Mag jetzt so mancher Küchenpurist auch die Nase rümpfen, der Erfolg gibt „La Criée“ recht. Mit 26 Outlets ist das Unternehmen die Nr.1 in Frankreich in Sachen Fisch-Restaurants. Im Schnitt machen die einzelnen Filialen ca. zwei Millionen Mark Umsatz pro Jahr, der Expansionsplan sieht vier Neueröffnungen im Jahr vor. Der Markt würde sogar eine schnellere Ausbreitung hergeben, aber der Personalmangel zwingt zu einem langsamen Wachstum. Derzeit wird überlegt, das erfolgreiche Konzept auch außerhalb der Landesgrenzen zu etablieren. Ganz oben auf der Liste stehen Spanien und Deutschland. Noch eine wichtige Zahl zum Schluß: 2 % des Umsatzes werden pro Betrieb in das Training der Mitarbeiter investiert, nur 1 % wird für Werbung/Marketing ausgegeben.

Wer mit dieser schönen, neuen Lokalwelt nichts anfangen kann, dem dürfte es in einem „Amarine“-Lokal gefallen. 14 Outlets gibt es bereits, der typische Standort ist nahe einer Autobahn und leicht zu finden, denn der große Leuchtturm weist den Weg und dient als optisches Netz, mit dem Gäste gefangen werden. Die Zauberworte bei „Amarine“ lauten Wohlfühl-Ambiente und Authentizität. Wer rein will, muß erst mal über einen Holzsteg gehen, so als ob man einen alten Fischkutter entert. Und drinnen herrscht Seebären-Atmosphäre. Viel Holz, alte Fischernetze an den Wänden, Bilder und Rahmen mit alten Fischerei-Dokumenten als Deko geben den Lokalen einen rustikalen-gemütlichen Charakter.

Geboten wird frischer Fisch und Seafood aller Art, die Zubereitung erfolgt in einer großen, offenen Küche. Einfach stark sieht der Lachsräucherofen mitten im Lokal aus, der mit Holzscheiten ständig nachgeheizt wird. Wer nicht gleich einen Platz bekommt, kann sich an der Austern-Bar neben dem Eingang die Zeit auf angenehmste Art vertreiben. – Alles ist so perfekt durchdacht, daß der Gast nicht einmal am Stillen Örtchen vergißt, daß er in einem Fischlokal ist. Wobei „stilles Örtlichen“ in diesem Fall gar nicht paßt, denn vom Band läuft ständig Möwengeschrei.

Erschienen im Gastronomie-Report 6/2000.

www.amarine.fr

www.lacriee.com

Foto: Lena Kraft

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