Projekt Beschreibung
Kunsthotel Teufelhof, Zürich
Übernachten m „Richtigen Zeitpunkt“ und in der „Zeitspirale“ – Die mittelständische Hotellerie wird hart bedrängt von Konzernen und Kooperationen. Gefragt sind Persönlichkeit und Individualität. Wie man diese Schlagwörter auf die Spitze treiben kann, zeigt der Teufelhof in Basel.
Acht Zimmer hat das Kunsthotel im Teufelhof. Wobei Zimmer eigentlich der falsche Ausdruck für die „bewohnbaren Kunstwerke“, auf die der Gast sich freuen darf. Und wie es sich für Kunstwerke gehört, haben alle Zimmer eigene Namen, zum Beispiel „Richtiger Zeitpunkt“, „Zeitentwicklung“, „Zeitspirale“ oder „Erinnerungen sind persönliche Ewigkeiten“.
Wer zum Beispiel das Zimmer 1 betritt, steht vor einer leuchtend gelb gestrichenen Wand. Als einziger Blickfang ist in Augenhöhe, leicht aus der Mittelachse versetzt, ein dunkelblauer Punkt angebracht. Mit der Angabe „Richtiger Zeitpunkt“ bleibt es jedem Gast selbst überlassen herauszufinden, für welche Gedanken, Entschlüsse und Handlungen gerade der richtige Zeitpunkt ist. Blickt der Gast jedoch unmittelbar nach dem Betrachten des blauen Punktes auf eine der weißen Wände, wird er dort als optisches Phänomen einen weiteren Punkt wahrnehmen. Damit stellt sich die Frage nach der Relativität und „Verschiebbarkeit“ des richtigen Zeitpunktes.
Ein anderes Beispiel: Im Zimmer 6 („Erinnerungen und persönliche Ewigkeiten“) sind auf der einen Seite des Raumes die Abmessungen von Fenstern, Türen, etc. mit Metermaßen versehen (als Symbol für den Drang des Menschen, alles zu vermessen, zu berechnen, zu verstehen…) In der anderen Seite sind Gegenstände plaziert, die persönliche Erinnerungen wachrufen sollen. Zwischen den beiden Welten hängt eine Kinderschaukel, mit der man zwischen der analytischen und emotionalen Seite hin- und herschaukeln kann.
Wer verkehrt bloß im Teufelshof? Bestimmt irgendwelche Gurus, Schamenen, Esoteriker , Heiler und Seher – oder ? Ganz falsch! „Unsere bisherige Erfahrung hat gezeigt, daß gerade vielreisende Geschäftsleute es außerordentlich schätzen, in einer individuell gestalteten Umgebung wohnen zu können“, so Dominique Thommy-Kneschaurek, die Chefin des Teufelhof. „Nicht nur die als bewohnbare Kunstwerke gestalteten Zimmer im Kunsthotel, sondern die ganze Atmosphäre im Teufelhof vermitteln das Gefühl, nicht in einem anonymen Hotel, sondern bei „Freunden“ untergebracht zu sein.“
Wobei die Idee -8 Zimmer, 8 verschiedene Kunsträume – natürlich den für das Hotel wirtschaftlich höchst angenehmen Nebeneffekt beim Gast hervorruft: „Da muß ich unbedingt wiederkommen und weitere Zimmer kennenlernen.“
„Aber was das kostet“, mag als nächstes Argument kommen. Bitte nicht vergessen: Kunst kommt von Können, nicht von Kapital. Wenn man sich die teuren Geschmacklosigkeiten vergegenwärtigt, die zu so mancher Hotelzimmerausstattung gehören, ist es wirklich die Frage, ob von Künstlern gestaltete Räume nicht sogar billiger kommen. Klar, daß da vor allem unbekannte, aber phantasievolle Künstler als Partner in Frage kommen.
Wie man auf eine so ausgefallene Idee kommt? „Vor Jahren begeisterten uns auf der documenta in Kassel die Arbeiten der Hamburger Künstlerin Anna Oppermann“, erzählt Frau Dominique Thommy-Kneschaurek. „Ihre raumgreifenden, über Wände und Böden wuchernden Bild-, Material- und Zitatensammlungen fanden wir so faszinierend, daß wir eine Arbeit von ihr für unser Haus haben wollten.“ Bei den Gesprächen mit der renommierten Künstlerin stellte sich heraus, daß diese bis dahin noch kaum Privataufträge erhalten hatte. Des Rätsels Lösung: Wer Kunstwerke (auch) als Geldanlage betrachtet, kauft sich Bilder oder Plastiken, aber keine „Environments“ in Räumen oder Zimmern, die nicht einfach abgehängt und verkauft werden können. Umso begeisterter war die Künstlerin deshalb über den Auftrag, sozusagen mal als „Hotelzimmereinrichterin“ tätig sein zu können.
Im Kunsthotel Teufelshof werden die acht Zimmer alle drei Jahre von Künstlern neu gestaltet. Dabei ist ihnen freigestellt, direkt auf die Wände zu malen oder mit Materialien in den Raum hineinzuarbeiten. Als Vorgabe werden die Räume so eingerichtet, daß sie vollkommen rechteckig und weiß gestrichen zur Verfügung stehen. Die Bäder und die Infrastruktur eines Hotelzimmers befinden sich jeweils in den Nebenräumen. Die einzige Bedingung an die Künstler ist: Die Räume müssen anschließend von den Hotelgästen bewohnt werden können.
Die Idee mit dem Kunsthotel ist von den Gästen so begeistert aufgenommen worden, daß sich der Teufelhof vor vier Jahren vergrößert hat. In direkter Nachbarschaft entstand das „Galeriehotel“, das einem Künstler als „Ausstellungsraum“ zur Verfügung gestellt wird. Dank der Ausstellungsfläche über drei Etagen ist es möglich, umfassende Werkschauen zu präsentieren.
Kunsthotel, Galeriehotel – Was ist der Teufelhof sonst noch? Zu dem Untertitel „Kultur- und Gasthaus“ gehören des weiteren das Restaurant „Bel Etage“, die Weinstube, ein Café, eine Bar, ein Weinladen und ein Theater. In solch einem Mehrspartenbetrieb stecken jede Menge Synergieeffekte. Die Theaterbesucher werden auf die Gourmetküche und die bildende Kunst aufmerksam, Gourmets wagen sich ins Theater, Stammgäste decken im Weinladen ihren Bedarf für Zuhause und Weinkenner, die im Laden einkaufen, werden neugierig auf das Lokal…
Neben Kunst- kommen im Teufelhof vor allem Weinkenner auf ihre Kosten. Die Weinkarte im Restaurant und in der Weinstube umfaßt über 450 Weine. Zu jedem Gericht wird der passende Wein glasweise oder als Weinset mit dem Menü kombiniert angeboten. Auf der „Weinmonatskarte“ in der Weinstube werden jeweils 10 Weine im Offenausschank angeboten und ausführlich beschrieben. „Die Themenkreise dieser „Monatsweine im Offenausschank“ können der Weinpalette einer Winzerfamilie gewidmet sein“, erläutert die Sommeliere Monica Thommy-Kneschaurek. „Wir nutzen dieses Angebot aber auch, um unbekannte, verkannte oder vergessene Rebsorten vorzustellen oder um ein bestimmtes Weinbaugebiet ins Rampenlicht zu stellen.“
Nachdem Gäste immer wieder gefragt hatten, ob die Geheimtips aus dem Weinkeller des Teufelhof nicht auch käuflich zu erwerben seien, richtete die Familie Thommy-Kneschaurek im archäologischen Keller des Galeriehotels einen Weinladen ein. Dort gibt es natürlich nicht nur Wein. „Wichtig ist uns, daß hinter jedem Olivenöl oder jedem Aceto Balsamico ein Mensch steht, dessen Arbeitsweise wir kennen und schätzen gelernt haben“, so Frau Thommy-Kneschaurek. Dazu gibt es in dem Laden eine Auswahl von hausgemachten Teufelhofspezialitäten.
Kunst und Kommerz muß also kein Widerspruch sein, das zeigt sich im Teufelhof recht schön. Da wird das ganze Arsenal möglicher Zusatzumsätze perfekt genutzt. Da fehlt weder das Merchandising noch der Party-Service: „Alles, was wir im Restaurant, in der Weinstube oder bei Stehempfängen im Teufelhof anbieten, bieten wir auch für Privat- oder Geschäftsanlässe in anderer Umgebung an.“
Und wer dem Kommerz entfliehen will, der sollte das Zimmer 3 buchen, das den Namen „Staub – Stein / Gegenwart – Vergangenheit“ trägt. Wie’s aussieht, verraten wir nicht, sondern nur, was sich der Künstler dabei gedacht hat: „Das Jetzt steht im Verhältnis zur Ewigkeit wie der im Licht tanzende Staub zur Stein gewordenen Vergangenheit.“ – Habt Ihr daran schon mal gedacht ?
Erschienen im Gastronomie-Report 10/2000.
Anfang 2009 haben die ehemaligen Besitzer den Teufelhof an die Mitarbeiter Nathalie Reinhardt und Raphael Wyniger verkauft. Die beiden führen jetzt das Haus und beleben es mit neuen Ideen und Konzepten, jedoch immer im Bewusstsein, die Tradition zu bewahren.
Die neuen Besitzer beschreiben den Teufelhof so: „Das Gast- und Kulturhaus ist eine einzigartige Hotelwelt mit 33 Lebensräumen. Diese Zimmer befinden sich entweder im historischen Gebäude, das wir Kunsthotel nennen, oder im moderneren Teil des Hauses, dem Galeriehotel. Das Kunsthotel verfügt über acht Zimmer und eine Suite, welche alle als bewohnbare Kunstwerke kreiert sind. In regelmässigen Abständen werden die Zimmer neu gestaltet, im Sommer 2010 war dies zum letzten Mal der Fall. Diesmal nicht von acht unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern, sondern vom damaligen Initiant des Teufelhofs, von Dominique Thommy-Kneschaurek, welcher bereits in früheren Jahren einige Serien von Kunstzimmern realisiert hatte. Im Galeriehotel mit 20 Zimmern, einer Junior-Suite und drei Suiten, finden wechselnde, thematisch gegliederte Ausstellungen von Künstlern statt. Die Möbel stammen von drei auserlesenen Designern.
Weiter vereint Der Teufelhof Basel unter einem Dach das Feinschmecker-Restaurant Bel Etage, ausgezeichnet mit 16 Gault Millau Punkten und einem Michelin Stern, das Restaurant Atelier besticht mit seiner regionalen und modernen Weltküche, das Café & die Bar, das hauseigene Theater, den Weinladen «Falstaff» und den Archäologischen Keller für Anlässe im besonderen Rahmen.
Foto: Teufelhof
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