Projekt Beschreibung
Buddha Bar, Paris
Wie der Buddha einen Versicherungskasten in einen Szenetreff verwandelt – Je verrückter die Location, um so größer der Erfolg. Das ist in diesem Jahr ein durchgängiges Motto bei unseren Konzepten – ob bei Mosimann eine alte Kirche oder beim Alsterpalais ein altes Krematorium. Was man aus einem alten Versicherungsgebäude mit Wasserschaden und einem alten Möbelhaus alles machen kann, präsentieren wir Euch im vierten und letzten Teil unserer Paris-Serie. Und dazu jede Menge Ideen und Trends.
Wie die Buddha Bar zu ihrem Namen kommt, ist schnell erzählt. Der eine Eyecatcher dieser Trendbar ist eine gewaltige Buddha-Statue, die bis zum Dach des zweiten Stockes reicht und bestimmt zehn Meter hoch ist. Der zweite Eyecatcher ist eine überdimensionierte, rund 20 Meter lange „Drachen-Bar“ mit allem, was dazu gehört: furchteinflößendem Drachenkopf, gezacktem Schwanz und dazwischen – auf dem Drachenkörper – der lange Tresen – ein Kommunikationstreff par excellence.
Einen fast noch stärkeren Eindruck, der einem so schnell nicht aus dem Kopf geht, hinterläßt die Musik der Buddha Bar. Aber was heißt Musik. Gespielt wird ein modern abgemixter, transzendentaler Sound, der an Gesänge tibetanischer Mönche erinnert: ommm, homm, hommm … Die CD mit dem Sound der Buddha Bar brachte es in den französischen Charts bis auf Platz 2. Eine bessere, genialere, einträglichere Werbung für ein Lokal läßt sich kaum vorstellen … Diese Scheibe wird natürlich in der Buddha Bar als Merchandising-Produkt verkauft, die Doppel-CD für rund 60 Mark.
Die tolle Location (alles schön dunkel -düster gehalten, unten die große Bar und der Eßbereich, im I.Stock ein Rundgang mit weiterer Bar, kleinen Tischen für Tapas & Co) ist nicht auf dem Reißbrett entworfen worden. Früher beherbergte das Gebäude eine Versicherung. Nach einem Wasserschaden war es für seinen alten Zweck nicht mehr zu gebrauchen und deshalb billig zu bekommen. Die neuen Besitzer mußten den Laden sozusagen nur noch innen aushöhlen, dann war er wie geschaffen für ein Tolle Location, genialer Sound + trendy Speisen, perfekt präsentiert: der Szenetreff Buddha Bar. Szene-Lokal. – Wie man sich an ein Erfolgskonzept anhängt, ohne direkt abzukupfern, zeigen die Macher des „Man Ray“. Was in der Buddha Bar der Buddha, ist im Man Ray eine riesige thailändische Gottheit, die mitten in einem Wasserbecken voller Schwimmkerzen steht. Für tolle Effekte sorgt der funkelnde Tresen – der ist aus Glasbausteinen gefertigt, hinter denen bunte Lichter leuchten.
In ein altes dreistöckiges Möbelhaus ist der Szenetreff Barrio Latino eingezogen. Für die dritte Etage hatten die Macher eigentlich gar keine Verwendung, bis ihnen eine geniale Idee kam: Wir machen da eine VIP-Etage! Wie das geht? An 1000 Opinion-Leader aus Paris wurden rote Schlüssel verschickt. Im Begleitschreiben hieß es: „Sie wurden von uns exklusiv ausgesucht. Dieser Schlüssel verschafft ihnen Zugang zu unserer VIP-Etage.“
Dieses Konzept ging voll auf! Die VIP-Schlüssel sind äußerst begehrt in Paris. Die VIP-Etage ist mit eigener Bar und vielen Rückzugsecken zum Kuscheln (Diwan mit Kissen, wer will, kann den Vorhang zuziehen und ist vor fremden Blicken geschützt) ausgestattet. Ohne Voranmeldung darf jeder VIP bis zu vier Gäste in den exklusiven 3. Stock mitbringen. – Schon genial, wie man aus einer nutzlosen Etage ein Profitcenter machen kann.
Ähnlich wie die Buddha Bar ist das Barrio Latino im Innern offen. Anders gesagt: Von allen Etagen ist ein Blick auf die große Tanzfläche ganz unten möglich. Nachts ist da die Hölle los, einzige Ausnahme sind vier Sofas mitten im Getümmel. Auf allen Etagen sind Bars plaziert, die unter einem besonderen Motto stehen. Bei der längsten Bar unten auf der Discoebene setzen ein gutes Dutzend Granitor-Maschinen die Akzente, die Slushes in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und Farben produzieren. Auf anderen Ebenen wetteifern u.a. eine mit Kronkorken dekorierte Bierbar {„Bier aus aller Welt!) und eine Cigars-Bar um die Gunst der Gäste.
Was uns bei unserem Streifzug durch die Szene-Bars und Clubs aufgefallen ist: Das hierzulande übliche Überangebot an Werbung für Spirituosen fehlt in Paris. Einzige Ausnahme: Auch in der Seine-Metropole geht Johnny Walker um. Was sich im Vergleich zu früheren Zeiten geändert hat: In den Trendlokalen beherrscht dasselbe Spirituosen-Angebot die Szene wie überall auf der Welt. Die klassischen französischen Marken wie z.B. Pernod spielen keine Rolle mehr.
Wenn man keine alte Location für sein Lokal findet, dann muß der neue Laden halt wie alt ausschauen. Nach diesem Rezept ist das „Chez Cochon – Restaurant Bouillon“ gestrickt. Die Gäste fühlen sich in dem Neubau wie in einer alten Holzscheune, passend dazu stehen alte Radi und Mistkarren als Deko-Material rum.
Im Bouillon dreht sich alles ums „Schwein“. Prunkstück ist eine Sammlung mit 650 Exponaten rund ums Thema Schwein: Figuren, Spielzeug, Abbildungen, etc.. Begeistert zeigte sich der Wirt von unserer Anregung, er solle doch einen Wettbewerb unter den Gästen starten nach dem Motto: Wer bringt das schönste Schwein mit? Die Besitzer der tollsten Schweinderl könnten ja einmal im Monat mit einem Preis {z.B. Abendessen) belohnt werden.
So könnte der Wirt seine Sammlung innerhalb kurzer Zeit gewaltig ausdehnen (was sich anbietet, weil das Konzept demnächst an weiteren Standorten umgesetzt werden soll) und die Gäste hätten einen Anreiz, wiederzukommen und Freunde und Bekannte mitzubringen. Denen soll schließlich gezeigt werden, welchen neuen Standplatz das eigene Schweinderl im Lokal bekommen hat.
Im Food-Bereich propagiert man im Bouillon die Rückkehr zur einfachen Küche, zu einfachen Gerichten – allerdings in großer Auswahl. So werden allein 25 verschiedene Schinkenaufschnitt-Sorten für die Vorspeise angeboten. In einer großen Verkaufsvitrine liegen all die leckeren Wurstwaren natürlich auch zum Außer-Haus-Verkauf bereit. Obwohl es auf der Karte nicht nur „Schweiners“ in allen Arten gibt, bestellen rund zwei Drittel der Gäste Schweinefleisch-Gerichte.
Wie es sich für eine „alte Scheune“ gehört, ist das Bouillon zweistöckig und in der Mitte frei, damit man von oben runterschauen kann. Mit dem freien Raum läßt sich wunderbar spielen. So wurde innen im Lokal ein Aufzug eingebaut und dieser Service auch als Marketingmaßnahme genutzt, um gezielt Behindertenverbände auf das Bouillon aufmerksam zu machen. Tolle Effekte können dadurch erzielt werden, daß vom Dach bis zum Boden riesige Fahnen aufgehängt werden – schnell und unkompliziert. Im 1. Stock gibt es außerdem einen richtigen Bühnenvorhang. Wenn größere Gruppen kommen und Abgeschiedenheit wünschen, wird der Vorhang einfach zugezogen.
Was wäre eine Trendreise ohne das Trendthema Kaffee? Nur kalter Kaffee, also schnell noch ins „Malongo Cafe“ – dem Marketinglokal eines französischen Kaffeerösters mitten im Business-Distrikt. Im Eingangsbereich erwartet den Gast ein Stehcafe mit grandioser Auswahl. Gewählt und uferlos probiert werden kann unter 58 verschiedenen Sorten. Wer beispielsweise einen echten Blue Mountain-Espresso (die Tasse für 17 Mark!) gekostet hat, ist so richtig gestärkt für das, was ihn im hinteren Teil des Lokals erwartet.
Der Weg zum Restaurantbereich ist gesäumt von Verkaufsvitrinen, die alles bieten, was rund um Kaffee so alles verkauft werden kann. Überall hat man den Duft von Kaffee in der Nase, die Merchandising-Produkte sind geschmackvoll zwischen Pflanzen und Kaffeesäcken plaziert. So macht Einkaufen einfach Spaß. Wegen der Lage im Businessviertel ist das Malongo übrigens nur bis 20 Uhr geöffnet Anschließend kann es für Parties und Feste gemietet werden.
Das Restaurant wird von einer offenen Küche dominiert, die so richtig in den Gastraum hinausgebaut ist- Es ist bereits ein optischer Genuß, den Köchen zuzuschauen, wie sie an den schmiedeeisernen Messingherden und den Drehspießen hantieren.
An der Speisekarte hat der französische Starkoch Alain Ducasse mitgearbeitet. Sie möchte eine kulinarische Reise durch die Welt des Kaffees bieten. Apropos Ducasse: Der berühmte Koch hat ein eigenes Lokal in Paris, das Spoons, das neben der tollen Küche noch eine weitere Besonderheit bietet: Tagsüber ist das Lokal weiß, abends rot! Wie das geht? Die Wände sind rot gestrichen, tagsüber sind weiße Rollos davor! Genial einfach, also einfach genial.
Eine Idee, die uns im Malongo gekommen ist: Dort werden an der Bar mehrere französische Top-Mineralwässer verkauft. Wenn man schon an die 60 Sorten Kaffee zur Auswahl hat, dann wäre es doch als i-Tüpfelchen eine tolle Idee, die Zubereitung des Kaffees mit einem Mineralwasser nach Wahl anzubieten, also z.B. den Perrier-Espresso oder den Evian-Cafe-au-lait.
Zum Abschluß noch eine Reihe von Trends und Ideen in Kurzform: Wie man Gäste zum Sekt/Champagner-Konsum verleitet: Im „L’Alcazar de Conran“ stehen im Barbereich Sektkühler, die wie konische Vasen aussehen, neben den Tischen.
Flexibilität ist gefragt: Im L’Alcazar gibt es fast nur kleine Einzeltische, ideal für ein Tete-a-tete zu Zweit. Wenn größere Gruppen kommen, werden die Tische einfach und blitzschnell zusammengestellt.
Alles unter einem Dach – als Beispiel nochmals das L’Alcazar: Im Erdgeschoß ist das Restaurant, im 1. Stock die Bar, im Keller die Diskothek!
Wohlfühl-Ambiente ist „in“, sei es im Cocooning-Trend (siehe Teil 1 dieser Serie, Heft 6/2000), sei es im Exotik-Trend wie im „Spicy“ – warme Erdtöne, Terracotta-Farben, viel Holz, Pflanzen und Wurzelwerk schaffen eine ungeheuer angenehme, familiäre Atmosphäre – oder im Afrika-Trend wie das Impala.
Alle Sinne ansprechen: Wer das Lokal „L’Asia“ betritt, hört im Vorraum erst einmal Vogelgezwitscher. Beim Weitergehen durch einen langen schwarzen Gang umfängt den Gast der Geruch von Räucherstäbchen. Diese Kombination wirkt wie ein Magnet: Man ist total gespannt, will wissen, was einen hinten im Lokal erwarten wird.
Genial einfach: Im Casa Lola arbeitet man geschickt mit der Farbkombination rot/gelb, deren appetitanregende Wirkung ja McDonald’s seit langem nutzt. Weiteres originelles Deko-Element: In etwa 1,20-1,30 m Höhe ist an der Wand eine Bordüre wie aus Stein angeklebt. Die Wandfläche ist mit Wischtechnik so angemalt, daß es aussieht, als gingen Holzlatten bis zum Boden.
Kooperation bei Events: Wir haben in Paris von Schauspielerschulen gehört, die bei Gastronomen nachfragen, ob Auftrittsmöglichkeiten bestehen. Bei besonderen Events, z.B. Römerfesten, treten die angehenden Schauspieler dann in Kostümen auf und tragen Gedichte, Sketche, etc. vor – eine Kooperation, von der beide Seiten {Schulen und Gastronomen) profitieren. – So etwas müßte sich doch hierzulande auch organisieren lassen.
Erschienen im Gastronomie-Report 8/2000
Foto: Jean-Paul Clement
Für weitere innovative Ideen für Gastronomie, Bar und Hotels empfehlen wir Ihnen ein Jahresabo des Gastronomie-Report.