Projekt Beschreibung

Chez Clement, Paris

Cocooning – Wie man einen Megatrend gastronomisch perfekt umsetzt – „Lächeln – Sie betreten jetzt die Bühne.“ An diesem Spruch kommen die Mitarbeiter des Chez Clement stets vorbei auf dem Weg zu den Gästen. Für die wiederum heißt es: Sehen, Staunen, Wohlfühlen, Eintauchen in eine Gastro-Welt, die heimeliges Wohnzimmer-Ambiente vermittelt. Cocooning in Bestform.

Äußeres Willkommenszeichen der „Chez Clement“-Lokale sind die zu einem Bündel zusammengebundenen Kupfer-Kasserollen am Eingang. Sie signalisieren dem Gast dreierlei: Hier kann man hervorragend essen, hier pflegt man eine Gastlichkeit wie in alten Zeiten und nicht zuletzt: Hier betritt man ein Chez Clement-Lokal. Drinnen im Lokal sind gekreuzte Löffel und Gabel stets wiederkehrende Symbole für Gastlichkeit und die durchdachte, originelle Corporate Identity. Das Besteck hängt an den Lampen und Leuchtern, dient zur Tischdekoration, begegnet dem Gast an allen Ecken und Enden des Lokals.

Hierzulande wird „Ketten-Gastronomie“ nicht selten mit besserer Imbiss-Gastronomie gleichgesetzt. Gourmet-Ketten gelten als Widerspruch in sich. Wie es anders geht, wie auf höchstem Niveau bei Küche, Service und Ambiente eine Lokalkette funktionieren kann, zeigt Chez Clement mit seinen zehn Filialbetrieben in und um Paris. Wobei nicht unterschlagen werden soll, dass der gigantische Ballungsraum Paris für Investoren ganz andere Möglichkeiten bietet als etwa bundesdeutsche Großstädte.

Die Location des Chez Clement-Lokal, das wir besucht haben, ist ein wunderschönes, altes Gebäude, in dem auf drei Etagen insgesamt 360 Gäste Platz finden (wenn sie vorbestellt haben, denn abends ist das Lokal stets rappelvoll). Die einzelnen Räume, die alle einen eigenen Namen haben, sehen aus wie das Wohnzimmer oder die Bibliothek, die man gern zu Hause hätte. Der erste Eindruck ist: Da hat die Mutter den Tisch eingedeckt für eine große Familienfeier – für einen runden Geburtstag oder den 25. Hochzeitstag. Und weil man unter sich ist, zusammen mit Freunden und Bekannten, wird auch auf neumodisches Zeugs wie Salzstreuer verzichtet. Salz und Pfeffer werden in Schälchen serviert, so wie früher bei Oma.

Eingedeckt wird nicht mit einheitlichem Geschirr, sondern kunterbunt. Kein Teller ist wie der andere, die bunte Mischung sorgt von Anfang an für eine lockere, ungezwungene Stimmung. Wer da nicht automatisch den obersten Hemdknopf öffnet, die Krawatte lockert und die Ärmel hochkrempelt, der geht wohl zum Lachen in den Keller.

Was da mit unglaublicher Liebe zum Detail und großem Aufwand perfekt in Szene gesetzt wird, ist der Megatrend Cocooning. Darunter versteht man den Rückzug aus der hektischen Welt in die eigenen vier Wände, wo man es sich gemütlich machen kann und nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen einen privaten Kokon (daher der Name!) spinnt. Damit dieser Trend nicht zum Verlust vieler Gäste führt, bleibt nur der Weg, den Anhängern des Cocooning ein Ambiente zu bieten, wo sie sich wie zuhause fühlen können und doch Teil einer wunderschönen Gastronomie-Inszenierung sind. Solche Lokale gibt es durchaus auch hierzulande (z.B. das Masters Home im München), aber als Lokalkette auf höchstem Niveau dürfte das Chez Clement einzigartig sein. Und um eine wichtige Idee ist der Cocooning-Trend in Frankreich ergänzt worden: um die Philosophie des Teams. Damit der Gast sich so richtig wohl fühlen kann, sollen sich der Service, die Küche und die Gäste als ein Team fühlen, als zusammengehöriges Ganzes.

Erst vor diesem Hintergrund gewinnen die liebevollen Details zusätzliches Gewicht. Auf den Eckbänken nimmt man auf so richtig alten Matratzen (zwar neu bezogen, aber ohne jeden Schnickschnack) Platz, als Rückpolster dienen Kissen, die an alte Säcke erinnern. Die Kinder können draußen im Hof rund um den Kaninchenstall spielen und die Tiere auch füttern und streicheln. Selbst auf der Toilette wird der Gast nicht von antiseptischer Hygiene a la „clean-weiß“ erschlagen: Der Heizkörper ist in Terrakotta-Farbe gestrichen, um sich dem Ambiente anzupassen.

In der Summe führen all diese Details dazu, dass man im Chez Clement die Zeit vergisst. Wie in einer wunderschönen Wohnung bekommt der Gast das Gefühl: Hier möchte ich bleiben. Hier will ich gar nicht mehr raus.

Und wo man so toll lebt, da müsste man doch auch gerne arbeiten. Die Suche nach guten Mitarbeitern ist in Paris mindestens genau so schwierig wie hierzulande. Die Chez Clement Macher haben sich deshalb etwas schlicht Sensationelles einfallen lassen: Die Gäste werden um Mitarbeit bei der Personalsuche gebeten! Gleich am Eingang bei der kleinen Bar begrüßt folgendes Schild die Gäste: „Wenn Sie jemanden kennen, der Arbeit sucht und gern mit kreativen Leuten arbeitet, dann geben Sie ihm bitte einen unserer Folder.“ In dem Minifaltblatt, das die Gäste mitnehmen können, ist auch gleich ein Formular für die Kurzbewerbung enthalten. Wenn das nicht Team- Spirit bei Gästen und Mitarbeitern erzeugt…

Wohlfühlambiente heißt nicht, ganz auf technischen Fortschritt zu verzichten. Geschickt am großen Kamin in das Ambiente integriert ist eine Großleinwand, auf der die Gäste bei Bedarf große Sportereignisse verfolgen können. Die Leinwand ist überdies mit einem Computer verbunden und kann für Firmenpräsentationen genutzt werden. Wenn Gäste schnell mal im Internet was Nachschauen möchten, dürfen sie selbstverständlich ans Computer-Terminal (modernster Flachbildschirm!). Sitzgelegenheit gibt es allerdings keine am Computer, zuviel Business würde dann doch die Wohlfühl-Atmosphäre stören.

Auf den Cocooning-Trend setzen nicht nur die Chez Clement-Lokale, ein weiteres Gastro-Schmuckstück ist das L’appart. Hier wird ohne großen Aufwand durch den geschickten Einsatz von Licht und Innenarchitektur Wohlfühl-Ambiente erzeugt. Am genialsten ist dies im Keller verwirklicht. Eine riesige, würfelartige, von allen Seiten begehbare und einsehbare Bar bringt Leben in die Bude (und lockt die Gäste in den Keller). Von den Betreibern wird die Bar als „Herzstück“ des gesamten Lokals bezeichnet.

Für die Abgrenzung des Raums sorgen Schränke – gefüllt beispielsweise mit kleinen Parfümflaschen und Nippes aller Art – und Bücherregale sowie anschließend Spiegel bis zur Decke. Der perfekte Einsatz des Lichts und der raffinierte Kulissenbau lassen den Raum mit dicken Röhren an der Decke flach aussehen, durch die Spiegel wird dem Gast gleichzeitig Weite vorgegaukelt. Im Endeffekt bekommt der Gast auch in dieser Location ganz schnell das Gefühl: Hier bin ich Mensch, hier darf’s ich sein, hier möchte ich bleiben.

www.chezclement.com

Erschienen im Gastronomie-Report 5/2000.

Foto: Chez Clement

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