Projekt Beschreibung
Freundin Info Café – Essen mit Kosmetikberatung

Beispiel München, Sonnenstraße in Nähe des Stachus: Dort konnte frau sich Anfang Juni per Computer-Simulation am Bildschirm beraten lassen; welche Farbe am besten zu den Haaren paßt. Mitte des Monats steht eine große Casting-Aktion auf dem Programm: Gesucht werden junge Frauen zwischen 16 und 20 Jahren für eine Beauty-Fotoproduktion. Ende des Monats wird eine Online-Verbindung zu einem Schminkberatungsstudio nach Bonn geschaltet. – Alles kostenlos für den Kunden, versteht sich.
Was das für ein Laden ist? Ein Cafe, genauer gesagt das 1. Freundin Info Cafe. Im Burda Verlag heißt es dazu: „Als erstes Frauenmagazin bietet Freundin damit einen Treff, wo man locker plaudern, lecker essen und im Internet surfen kann. Zusätzlich gibt es ein multimediales Programm.“
Synergieeffekte, wohin man blickt. In der Freundin wird über das Info Cafe berichtet. Betreiber Stefan Alram und Wirt Armin Traub können als potentielle Gäste auf das Millionenheer der Freundin-Leserinnen zählen. Gleichzeitig können über das Cafe neue Leserinnen und Abonnenten geworben werden. Die Farbberatung für die Haare wird von Wella durchgeführt, für die Schmink-Geschichte wird mit Lancöme kooperiert – alles Firmen, die auch in der Freundin werben. „Wir sehen die Eröffnung hier in München als Pilotprojekt. Wenn unser Konzept erfolgreich ist, werden wir das Freundin Info Cafe in Lizenz auch in andere Städte bringen“, so Freundin-Verlagsgeschäftsführer Thomas Römer.
Das Freundin Info Cafe ist nur ein Beispiel, wenn auch ein gerade aktuelles, für den Trend: Gastronomie plus! Man braucht sich nur in München umzuschauen: Bei Hugendubel am Stachus kann der Bücherwurm an der Bar Cappuccino trinken, mitten im Kaufhaus Beck am Marienplatz kann‘ sich der Kunde den Einkaufsbummel mit einem Stück Obst-Tarte versüßen, im Parkcafe gastiert einmal im Monat der „Marlboro US Breakfast Club“. Über die zuletzt genannte Veranstaltung heißt es ganz stoiz beim Tabakkonzern Philip Morris: „Mit jeweils ca. 400-800 frühstückenden Gästen pro Veranstaltung zählt diese Initiative wohl zu den beliebtesten Treffs der modernen Frühstückskultur in Großstädten.“
Und das alles dürfte erst der Anfang einer Entwicklung sein. In den USA gibt es längst Lokale, in denen man seine Wäsche waschen kann (oder sind es doch eher Waschsalons mit langeschlossener Bar?). So, wie schon fast jede Zeitschrift, die auf sich hält (Spiegel, Stern, Focus), ihr eigenes Fernsehmagazin hat, könnten bald entsprechende Themen-Lokalketten folgen. Im Sportbereich hat der FC Bayern da ja große Pläne und die ersten beiden Fanpubs bereits gestartet.
In der Anfangsphase dieser Entwicklung geht die Initiative längst nicht immer von den Großen aus. Der Multi Burda hätte die Entwicklung glatt verschlafen, wenn nicht Stefan Airarn mit seiner Cafe-Idee auf den Verlag zugegangen wäre. Innovativen Wirten steht die Cross-Marketing- Welt noch weit offen!
Dazu noch ein ungewöhnlicher Vorschlag: Ohne pietätlos erscheinen zu wollen – wer steigt ein in den milliardenschweren Bestattungsmarkt? Wer eröffnet das 1. Bestattungs-Cafe, in dem die Gäste die letzten Dinge in seriös angenehmer Atmosphäre bei einer guten Tasse Kaffee oder einem leicht verdaulichen Gericht regeln können? Und wo es die Kundschaft hergibt, könnte auch eine schrillschräge Variante mit Probeliegen im Sarg für regen Gästezulauf sorgen. – Was dieses extreme Beispiel zeigen soll: In der Gastronomie des 21. Jahrhunderts wird es keine Tabus mehr geben.
Erschienen im Gastronomie-Report 5/1998. Das Café wurde nach ca. 1-2 Jahren geschlossen.
Foto: Burda medien
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