Projekt Beschreibung
„Krimihotel“ Fasen, Hillesheim (Eifel)

Wo Derrick, Miss Marple und Sherlock Holmes über den Schlaf wachen
Hundegebell in der Nacht? Keine Angst, es ist wahrscheinlich nur ein Dorfhund und nicht der Hund von Baskerville. Und dass jemand hinter dem Dusch-Vorhang steht, ist zwar irgendwie „psycho“ aber nur aufgedruckt. Wer dagegen mitten in der Nacht von dem Befehl „Harry, hol schon mal den Wagen!“ geweckt wird, hat ein Problem: Jemand im Zimmer hat den verbotenen Knopf gedruckt!
Gehen wir mal davon aus, dass es nur der Zimmergenosse war, der die Finger nicht stillhalten konnte. Ansonsten geht es des Nächtens in Deutschlands Krimihotel ruhig zu. Es gibt keine klappernden Fensterläden oder verkommene Subjekte, die überraschend ins Zimmer einbrechen, um den Adrenalinpegel der Gäste in die Höhe zu treiben. Abgesehen von einigen Gimmicks in den Zimmern und teils schauriger Deko, wird auf reißerische Showelemente verzichtet. Das Hotel setzt auf den gepflegten Krimi und auf englische Gediegenheit.
Anfang 2009 war das Hotel Fasen in Hillesheim noch eine schlichte Übernachtungsherberge für Wanderer und Eifeltouristen – mit langer Tradition, aber abgewohnten Zimmern und Sanierungsbedarf. Hoteldirektor Christoph Böhnke stand vor der Frage: „Wenn ich saniere, was mach’ ich draus?“ Wichtig ist vielleicht noch zu wissen, dass der 35-jährige gelernte Hotelkaufmann und Betriebswirt nicht nur das Hotel Fasen leitet, sondern auch das dahinter liegende Wellness- und Tagungshotel Augustiner-Kloster. Das neue Krimihotel ist ein Teil der Hotel Augustiner GmbH.
„Wie ich von dem Architekten Albert Weinzierl während meiner Zeit in München (als Gastronomie-Direktion im Hotel Bayerischer Hof) gelernt habe, man darf einem Haus nicht einen Charakter aufdrängen. Man muss sich vielmehr überlegen: „Wonach sieht das Haus aus?“ Für Böhnke war klar: Es ist kein Wellnesshotel und kein Heuschlaf-Hotel.
Dass es ein Krimihotel ist, darauf ist er gemeinsam mit einem Nachbarn gekommen, dem Krimiautoren Ralf Kramp. Der hat gleich nebenan ein Kriminalhaus (www.kriminalhaus.de) mit Krimi-Verlag, Krimi-Buchhandlung, Deutschlands größtem Kriminalarchiv mit über 26.000 Büchern und mit dem Krimi-Cafe „Sherlock Holmes“. Rund um das Hotel wimmelt es also praktisch eh schon von „krimineller Energie“.
Jetzt haben die Krimifans in Hillesheim auch eine standesgemäße Übernachtungsmöglichkeit und die Qual der Zimmerwahl. Schlafe ich lieber unter dem Bildnis der schrulligen Margret Rutherford alias Miss Marple, unter kriminalpolizeilicher Aufsicht von Horst Tappert alias Derrick oder mit dem goldlackierten Bondgirl am Bett? Insgesamt 10 Themenzimmer hat Böhnke mit beratender Unterstützung von Ralf Kramp stilecht mit vielen liebevollen Details eingerichtet. Zur Auswahl stehen: Derrick, Miss Marple, James Bond, Maigret, Hitchcock, Mord im Orientexpress, Tod auf dem Nil, Sherlock Holmes, Edgar Wallace und das Eifel-Krimi-Zimmer.
Dass Kriminalliteratur in der tiefsten Eifel solch eine bedeutende Rolle spielt und sogar für touristischen Auftrieb sorgt, ist nicht zuletzt dem Journalisten und Schriftsteller Michael Preute zu verdanken. Dieser ließ sich in den 80er Jahren im Nachbarort Berndorf nieder und veröffentlichte unter dem Pseudonym Jacques Berndorf 1989 seinen ersten „Eifel-Krimi“. Weitere Krimis und weitere Autoren folgten.
Eine Besonderheit der Krimis ist, dass die Schauplätze nicht frei erfunden sind, sondern tatsächlich existieren. Irgendwann setzte das eine Art von Krimitourismus in Gang. Darauf abgestimmte touristische und kulturelle Angebote ließen nicht lange auf sich warten. In der Kreisstadt Daun findet z.B. das mehrtägige Krimifestival „Tatort Eifel“ (www.tatort-eifel.de) statt. Und rund um Hillesheim gibt es einen 55 km langen Eifelkrimi-Wanderweg (www.eifelkrimi-wanderweg.de). Einen besseren Standort für ein Krimihotel dürfte es also kaum geben in Deutschland.
Bei einem Rundgang durch die Zimmer fällt schnell der so genannte „verbotene“ Knopf an der Zimmertür auf. Passend zum Thema des Zimmers löst er einen Soundeffekt aus. Das reicht vom einem Gespräch zwischen Sherlock Holmes und Doktor Watson bis zum Sound der berühmten Duschszene in Psycho.
Letzteres könnte für eine leichte Gänsehaut im Hitchcock-Zimmer sorgen. Dazu trägt auch der eingangs erwähnte bedruckte Duschvorhang bei. An der Wand hängt eine Gipsmaske von Hitchcocks Antlitz. Um die musste Böhnke erst länger mit dem Zoll ringen, der die aus den USA importierte Maske nicht ins Land lassen wollte. Außerdem gibt es in dem Zimmer ein paar schwarzgefiederte Mitbewohner – glücklicherweise nur gut gemachte Imitate, keine echten Raben aus dem Reißer „Die Vögel“. Der Rabe ist nebenbei bemerkt auch das „Wappentier“ des Hotels und gehört zum CI.
Das „Derrick-Zimmer ist im 70er Jahre Stil gestaltet und stellt als Kuriosität die „original“ Tränensäcke von Horst Tappert aus – sicher verwahrt hinter 7 cm dickem Panzerglas. Auch Harrys Wagenschlüssel können hier bewundert werden. Der Schlüssel-Diebstahl lohnt aber nicht, niemand weiß, wo Harry das Auto geparkt hat!
Nach mehrmonatiger Renovierung mit Baukosten in Höhe von rund 200.000 Euro hat das Krimihotel im September 2010 die Ermittlungen aufgenommen. Mit den ersten 10 Themenzimmern hat Böhnke das Krimihotel zur Hälfte fertig gestellt, insgesamt 20 sollen es werden. Angst, dass die Blütezeit des Krimihotels schnell verblassen könnte, hat er keine. „Krimis sind die meistgelesene Literatur in Deutschland, sie sind kein Hype, sondern immer en vogue.“
„Kriminelle“ Ideen haben Böhnke und sein Nachbar Ralf Kramp jedenfalls genug. Die Krimis, die als Bettlektüre auf den Zimmern ausliegen und an der Hotelrezeption gekauft werden können, stammen aus Kramps Krimiarchiv bzw. Verlag. Zu den beiden Titeln „Schwarzer Tod“ und „Fünf-Uhr-Tod“ gibt es gleich noch eine gleichnamige (lecker!) Teemischung dazu. Ein Tässchen Tee und ein guter Krimi gehören schließlich zusammen.
Am Nachmittag wird dann auch im Clubraum vor dem Kamin in englischen Chesterfield-Möbeln der 5 o’clock-Tea zelebriert. Wie es sich gehört, werden erst herzhafte Sandwiches mit Schinken, Lachs und Gurke gereicht, dann gibt es was Süßes in Form von englischen Scones. Wenn um Fünf die große Standuhr gongt, dann hinhören – sie hat den schönen Westminsterschlag.
Eine Etage höher befindet sich der große Krimisalon, der Platz für 40 bis 50 Leute bietet. Hier werden u.a. Lesungen und sonntägliche Krimi-Martinees abgehalten. In kleinen Krimi-Workshops erfahren die Teilnehmer, wie man eine Detektiv-Figur entwickelt bzw. wie man überhaupt auf die Idee für einen Krimi kommt.
Weitere Arrangements im Krimihotel: Gemeinsam mit der Tourist-Information wurde das „Eifelkrimi-Wochenende“ entwickelt – samt geführter Krimiwanderung auf dem Eifelkrimi-Wanderweg. Die Event-Agentur Blutspur kommt heuer an vier Terminen mit ihrer Schauspieltruppe nach Hillesheim und veranstaltet komplette Ermittlungswochenenden. Da wird der Traum von Hobbydetektiven wahr, einen „echten“ Fall zu knacken. Freitags geschieht der Mord, samstags gibt es die erste Soko-Sitzung, und bis Sonntag muss der Täter gefasst sein.
Erschienen in Gastronomie-Report 3/2011
Foto: Krimihotel Hillesheim
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