Projekt Beschreibung
Du-Hotel Alpen-Gasthof Krone, Unterjoch
Viele Extras ohne Zuschlag – Ein Auto mit Berliner Kennzeichen fährt vor. Die Neuankömmlinge steuern die Rezeption an und müssen ein wenig warten, weil gerade keiner da ist. Plötzlich biegt Werner Probst um die Ecke „ei des dut merr etzt leid, aber i bi hinter pfui Deifel gwää! Wellawääggrieß Eich, i frei mi.“
Die Berliner Familie verschreckt das keineswegs und auch wenn sie nur einen Teil verstanden hat, die offene, herzliche und unverkrampfte Art des Chef des Hauses bedarf keiner word-by-word-Übersetzung und außerdem meint Werner: „Wenn’s wirklich a Verständnisproblem geit, des verdeitschet mir scho.“
Seit drei Jahren nennt sich der Alpengasthof Krone Du-Hotel“ und tatsächlich duzen sich alle. Das Personal die Gäste, die Gäste das Personal und auch die Gäste untereinander gehen zum persönlicheren Du über. lm Allgäu ist das kein großerSchritt, denn das bayerische und auch allgäuerische „Ihr“ umgeht ja sowieso geschickt das steife „Sie“.
Fußball spielen mit dem Kellner
Was auf den ersten Blick wie ein unbedeutender Marketinggag aussieht, hat einen viel facettenreicheren Hintergrund und bringt eigendynamisch eine Reihe von positiven Dingen ins Rollen, die gar nicht von Beginn an geplant waren. Über das lockere“Du“ fällt es dem Personal viel leichter, Kontakt zu den Gästen zu bekommen und umgekehrt. Es entstehen über persönliche Interessen Freitzeitaktivitäten, die nicht generalstabsmäßig vorgeplant waren. Der fußballverrückte Kellner organisiert Fußballspiele mit Gästen, das Zimmermädel geht mit Gästekindern zum Skifahren und so weiter.
Sie alle tun das nicht mit neonbunter Animateursmentalität, sondern so, als würden sie im Freundeskreis ihre Freizeit gestalten. In einer solchen Atmosphäre werden dann auch eventuelle Beschwerden der Gäste lange nicht so harsch vorgetragen, redet man doch mit einem Sportskumpel. Und umgekehrt ist das Personal über Kritik lange nicht so genervt, kommt sie doch von einem Bekannten.
Auch unter den Gästen entsteht ein entspanntes Verhältnis, besonders positiv mitzuerleben ist eins: Ganz entgegen der Ansicht, daß Senioren mit Kleinkindern nicht in einem Haus zu vereinen seien, haben sich in der Krone schon eine Reihe von „Leihomas“ und „Leihopas“ gefunden, die einige harmonische Stunden lang mit einem „Leihenkel“ spielen und Geschichten erzählen.
Diese positive Grundstimmung zu ermöglichen, ist das eine, aber das andere ist natürlich, attraktive Infrastrukturmaßnahmen zu schaffen. Du-Sagen allein füllt noch kein Hotel! Werner formuliert eine Grundtendenz: „Wir bieten Service-Leistungen, die uns teilweise ganz schön teuer kommen und großen Aufwand bedeuten, aber Dank lockerer Umgangsformen fühlt sich der Gast im „Du-Hotel“ schnell wie zu Hause. Ich sehe das als Investition in die Zukunft.“
Stichwort Essen: In der Krone gibt es nicht bloß für Kinder und Senioren halbe Portionen, sondern für jeden, der das wünscht. Eine Halbpensionsbuchung kann von vorn herein als „halbe Halbpension“ geordert werden. Wer sein Essen nicht in Anspruch nimmt, der bekommt nicht etwa ein klägliches Lunchpaket in die Hand gedrückt, sondern wird das Essen erst gar nicht auf der Endabrechnung vorfinden. „Wir verrechnen nur Leistungen, die auch wirklich in Anspruch genommen wurden und halbe Portionen kosten logischerweise bloß die Hälfte. Viele unserer Gäste sind da richtig verblüfft, wie unprätentiös wir das handhaben. Sie haben in langen Urlauberjahren irgendwie verinnerlicht, daß Spezialwünsche immer Ärger oder Mehrkosten bedeuten“ konstatiert Werner.
Fleisch direkt vom Bauern
Im „Du“-Hotel wird auch sehr genau darauf geschaut, was auf den Tisch kommt. Werner kauft schon seit Jahren vor Ort geschlachtete Kälber. „Bedenken muß man, daß von einem Kalb von sagen wir 150 kg nur 50 % Fleisch sind. Das bedeutet, daß auch die anderen Teile verwertet werden müssen, damit wir wirtschaftlich arbeiten. Würden wir nämlich diese Mehrkosten auf unsere Pensionspreise schlagen, gäbe es eine große Meuterei bei den Gästen. Also heißt die Lösung, z. B. auch die Innererein als saures Lüngerl oder saure Nierle zu verwerten. Da gilt es, erst einmal einen
Koch zu finden, der das wirklich beherrscht, heute lernen Kochschüler Quiche Lorraine, aber keine Nierle“ sagt Werner.
Alles in allem ist die Krone ein gutes Beispiel füreinen Umdenkungsprozeß und die Abkehr von alten Klischees. Das Allgäu ist zwar ein landschaftliches Kleinod im letzten Winkel Deutschlands, aber das impliziert nicht automatisch grenzdebile Bergler. Vielmehr innovative Menschen, die nicht krampfhaft an Antiquiertem festhalten, bloß weil des me allet so gwää isch!
Dieses Gastronomie-Konzept ist erschienen im Gastronomie-Report 3/1995
Foto: Alpen-Gasthof Krone