Projekt Beschreibung

Radwander Hotel Rotel INN in Passau

Mini Zimmer made in Germany – Niemand bestreitet, dass Japan, das Land der aufgehenden Sonne, auch die Geburtsstätte vieler hervorragender Ideen ist. Aber manchmal, ja manchmal schmücken sich die Asiaten mit fremden Federn: so etwa, als 1981 in Osaka das erste Kabinenhotel mit 1.600 Betten eröffnet wurde. Es ging als „japanische Hotel-Revolution“ durch die Weltpresse, aber der Erfinder ist ein Bayer: Georg Höltl aus dem niederbayerischen Tittting.

Mit der Eröffnung des „Rotel Inn“, des allerersten Radwander Hotels, in Passau holte er “ zum „Gegenschlag“ aus. Höltl möchte nicht mehr und nicht weniger als eine neue Hotelgeneration begründen.
Reisende, die gesteigerten Wert auf das „Wie“ und „Wo“ ihrer Unterbringung legen, sind im „Rotel Inn“ wohl an der falschen Adresse. Aber sie gehören auch nicht zu der Zielgruppe, die Georg Höltl anvisiert. Er hat herausbekommen, „daß Hotelzimmer bei Kurzbesuchen in Städten in der Regel weniger als Aufenthalts-, sondern vor allem als Übernachtungsort genutzt werden“. Diese Einschätzung treffe gerade auf die Dreiflüssestadt Passau zu, die Drehscheibe von sechs regionalen und internationalen Fernradwanderwegen an Donau, Inn und Salzach ist.
Das „Rotel Inn“ wurde folgerichtig entlang des Radwanderwegs Regensburg-Wien direkt am Donauufer aus dem Boden gestampft. Auch der Hauptbahnhof ist nur fünfzig Meter entfernt und bis zur historischen Altstadt braucht man gerade fünf Minuten.

Minizimmer zu Minipreisen
Die Radfahrer, Bahnreisenden, Flußwanderer und überhaupt alle, die gern günstig übernachten, können im „Rotel lnn“ zwischen hundert Minizimmern (keine Kabinen wie in Japan!) mit einer Fläche von sechs Quadratmetern wählen (Länge: vier, Breite: 1,5 Meter). Das Superbett (2,00 x 1,50 m) als wesentlicher Bestandteil des Raumes reicht von Wand zu Wand, wird vom Fußende aus betreten. Die Breite des Bettes entspricht der des Zimmers. Alle Zimmer können problemlos als Einbett- und auch als Zweibettzimmer genutzt werden.
Zur Ausstattung gehören aber auch ein Telefon und Radio, ein Tisch und Ablageflächen. Auf der gegenüberliegenden Gangseite außerhalb des Zimmers wurden die Naßzellen hochgezogen: Auf drei Zimmer kommt eine.
„Vielerorts sind die – von Jahr zu Jahr steigenden – Hotelpreise kaum noch zu bezahlen“, bedauert Georg Höltl. Er sieht in seinem Haus „eine echte Preis-Leistungs-Alternative“. Schließlich wurde der Übernachtungspreis von 30 Mark pro Person „scharf kalkuliert und ist sagenhaft niedrig“. Frühstück wird allerdings an einer Selbstbedfenungstheke angeboten und muß extra bezahlt werden.
Die Furcht, seinen Gästen womöglich doch zu viel zuzumuten, plagt Höltl nicht. „Interessanter als bei uns kann man nicht schlafen“, meint er und verweist auf die großzügigen Aufenthaltsräume in künstlerischem Design – und auf das „Outfit“ des „Rotellnn“.

Faszinierende Architektur
Die äußere Hülle der Minizimmer ist in der Tat sehenswert. Durch die Gestaltung als 85 Meter langer „Ruhender Mensch“ aus Keramik, Glas, Metall und Beton wurde der Hotelbau zur ständigen Großplastik. Und geradezu faszinierend ist die Architektur des Blickfanges, des riesigen Kopfes mit 15 Meter Höhe. In Passau wird in besonderem Maße auf das Bild der 2.000jährigen Stadt geachtet, in der unter anderem die größte Kirchenorgel der Welt und die Nibelungenhalle zu bewundern sind. Aber das „Rotel Inn“ wurde sofort akzeptiert. So kann man es zumindest im Rathaus hören. Dort wird anscheinend auch ein wenig die Hoffnung gepflegt, daß das Hotel zu einer weiteren Touristenattraktion in der 52.000-Einwohner- Stadt werden könnte.
Das Innere des Kopfes vom „Ruhenden Menschen“ soll von berühmten europäischen Graffiti-Künstlern gestaltet werden. Das beabsichtigt Georg Höltl. Ein herausforderndes Thema, das ihnen gestellt wird, erinnert an das verlorene Rennen um das erste Kabinenhotel. Denn es lautet; „Die wirtschaftliche Auseinandersetzung mit Japan und Fernost – Europa als Chance“.
Bereits 1967 hatte Georg Höltl Pläne für das Kabinenhotel „Rotel City“ am Dreiburgensee bei Tittling im bayerischen Wald präsentiert. Doch die Regierung von Niederbayern stellte sich quer. Die „Höltl-Schlafkabinen“ boten eine Fläche von drei Quadratmetern pro Person, und das erschien den Beamten als zu spärlich. Die Japaner kopierten die Erfindung, und so entstand 1981 das erste Kabinenhotel mit 1.600 Betten in Osaka, 1987 ein weiteres in Tokio mit noch 400 Betten mehr.
Wie kamen die Japaneran die Konzeption? 1959 kreierte Höltl, der 1945 als Omnibusunternehmer durchgestartet hatte, einen weltweit wohl einzigartigen Reisestil, die als „Rollenden Hotels“ bekannten „Rotel Tours“. Dabei werden an Omnibusse Anhänger aus Aluminium gekoppelt, in denen für die Reisenden Schlafkojen reserviert sind. Mehr als 700.000 „Rotel-Tours“-Übernachtungen kommen jährlich zustande; die Spezialbusse sind heute in 142 Ländern der Erde unterwegs. 1972 eroberten die „Rotel Tours“auch Japan:“Die Kabinen wurden von den Japanern immer wieder fotografiert und vermessen. Das Ergebnis waren die beiden Hotels in Osaka und Tokio.“
Allerdings wirft Georg Höltl nach dieser für ihn unglücklichen Erfahrung nicht die Flinte ins Korn. Gemeinsam mit seinem Sohn Peter und der Unterstützung seiner Familie sowie einiger hundert Angestellter wird er das patentamtlich geschützte Modell „Rotel Inn“ weltweit anbieten. Mit der Hilfe seiner Angehörigen und Beschäftigten hat Höltl schon auf anderen Gebieten investiert, ohne es bis dato zu bereuen.

Erfolgreiche Innovationen
1971 bis 1973 ließ er das 300-Betten-Ferienhotel „Dreiburgensee“ errichten, wegen seiner „Vorbildfunktion für heimatgebundenes Bauen im Bayerischen Wald“ mit dem ersten „Ehrenpreis des Bayerischen Waldes“ der Regierung von Niederbayern ausgezeichnet. 1974 konzipierte Höltl in einer Mühle neben dem Hotel „Dreiburgensee“ ein Heimatmuseum. Er legte auf diese Weise den Grundstein für das vielgelobte „Museumsdorf Bayerischer Wald“. Es zeigt hundert Gebäude, die historische Bauformen des Bayerischen Waldes aus der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert dokumentieren.
1979 schuf der“Rotel-lnn“-lnhaber durch die liebevolle Sanierung vier historischer Patrizierhäuser aus dem 14. Jahrhundert am Passauer Rathausplatz das Hotel „Wilder Mann“. Dafür erhielt er den „Kultur- Ehrenbrief“ der Stadt Passau und 1989 den Bayerischen Denkmalpreis. Zum Hotel gehört übrigens auch das von Höltl begründete und aufgebaute Passauer Glasmuseum. Hier repräsentieren 30.000 Exponate in vier Etagen mit 35 Räumen das weitberühmte „Böhmische Glas“.
Schaut man sich die Projekte an, die Georg Höltl und sein Team in den letzten Jahren erfolgreich zum Laufen gebracht haben, mag kaum Zweifel aufkommen, daß das „Rotel Inn“ in Passau nicht das einzige seiner Art bleiben wird. Und wer weiß? – Vielleicht kommt bald sogar eines in Japan hinzu.

www.rotel-inn.de

Foto: me_tra – Fotolia.com

Dieses Gastro-Konzept ist erschienen im Gastronomie-Report 01/95