Von Bauruinen bis zum Bruch von Verträgen!
Auf den ersten Blick geht es bei dem Streit zwischen dem Parkhotel und der unterfränkischen Stadt Lohr am Main um eine Handvoll Parkplätze. Nicht der Rede wert für einen großen Bericht? Wir sehen das aus zwei Gründen anders. Zum einen zeigt der Fall, wie in Bayern die Kommunen mit Gastro-Unternehmern umspringen – oder glauben, umspringen zu können. Denn, und das ist der zweite Grund: In Lohr wehrt sich die Hoteliersfamilie Leiß juristisch gegen die kommunale Willkür und schreckt auch nicht vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung zurück.

Nachdem sich Lohr gern als „Schneewittchen-Stadt“ vermarktet, fangen wir klassisch an: Es waren einmal eine Stadthalle, der ein passendes Hotel für Übernachtungsgäste fehlte, und die Betreiberfamilie einer örtlichen Pension, die den Mut zu Investitionen hatte. Also einigte sich die Familie Leiß mit der Stadt Lohr anno 1989 auf einen Erbpachtvertrag zur Übertragung eines Grundstückes unmittelbar an die Stadthalle, auf dem das Parkhotel mit 69 Zimmern errichtet wurde.
Damals herrschte durchaus noch eitel Sonnenschein. Weil es in der Stadthalle ein Restaurant gab, verpflichtete sich die Familie Leiß, nur ein „Hotel Garni“ zu führen. Die Stadt wiederum gab die Zusage, dass die Hotelgäste und die Hotelmitarbeiter den Stadthallenparkplatz benutzen dürfen.
Kleine und größere Nadelstiche der Stadt trübten in den folgenden Jahren das Verhältnis. So hatte sich die Kommune per Vereinbarung verpflichtet, das letzte Gebäude der alten Textilfirma, das noch auf dem Hotelgelände stand, „zeitnah“ abzureißen. Es dauerte dann aber sieben Jahre, bis die Ruine mit eingeworfenen Fenstern schließlich entsorgt wurde.
Dann kam der Hammer! 2004 schloss die Gemeinde die alte Stadthalle, 2006 folge der Abriss – mit dem festen Vorsatz, möglichst schnell eine neue, schönere Stadthalle zu bauen. Das Hotel verlor jedenfalls auf einen Schlag sein wichtigstes Übernachtungsklientel. Der erste Entwurf für den Neubau und ein zweiter wurden durch Bürgerbegehren und -entscheide gestoppt. Die Hotelbetreiber durften sich dafür mit Baustellenlärm (Abriss der alten Halle, neue Mainbrücke, Bau von zwei Kreisverkehren, Turbinenhaus, zentraler Busbahnhof, …) herumschlagen. Und die Baulücke dort, wo früher die Stadthalle stand, war auch nicht gerade eine Attraktion für die Hotelgäste.
Immerhin hatte die Stadt die Familie Leiß nach Fertigstellung der 1. und 2. Planung für die neue Stadthalle noch jeweils zu Gesprächen eingeladen, um die Pläne vorzustellen und ein gemeinsamen Vorgehen zu besprechen. „Seit dem Wegfall des Stadthallen-Restaurants hatten wir ja auch das Problem, dass wir unseren hungrigen Hotelgästen kein Lokal in der Nähe mehr vorschlagen konnten“, erzählt Michael Leiß. Aber je länger sich die Planungen hinzogen, desto geringer wurde die Kommunikationsbereitschaft der Stadt.
Damit sich diese Spirale nicht endlos weiterdreht, schrieb Michael Leiß 2013 einen langen Brief an die Stadt, in dem er alles aufführte, was aus seiner Sicht in den letzten Jahren falsch gelaufen war. Er bat um ein Gespräch. Schließlich stand die Grundsteinlegung für die neue Stadthalle im Herbst 2013 vor der Tür.
Bei dem Gespräch mit der 2. Bürgermeisterin, dem Gesamtplaner der neuen Halle, dem Bauamtsleiter und weiteren Mitgliedern der Stadtspitze kam auch zur Sprache, dass der Parkplatz nach Fertigstellung der neuen Stadthalle bewirtschaftet werden sollte (also mit Schranke und Automaten!). Bei dieser Gelegenheit sicherte die Stadtspitze dem Hotelier ausdrücklich zu, dass die Hotelgäste und das Hotelpersonal den Parkplatz weiterhin kostenfrei benutzen dürfen. Das vom 1. Bürgermeister der Stadt Lohr unterschriebene Protokoll liegt der Familie Leiß vor.
Entgegen den ursprünglichen Planungen bekam die neue Stadthalle kein Restaurant mehr. Von Seiten der Stadt wurde dem Hotelier signalisiert, dass eine Erweiterung des Hotels und ein Hotel-Restaurant durchaus gewünscht seien. Schließlich reichte Michael Leiß eine provisorische Bauvoranfrage ein, um herauszufinden, ob sich seine Vorstellungen mit denen der Stadt deckten. Er wurde ins Rathaus eingeladen, brachte auch seinen Architekten mit, der extra aus Stuttgart angereist kam, nur um die Auskunft zu bekommen: Was Sie da eingereicht haben, können wir nicht genehmigen! „Das war eine Demontage hoch 10“, ärgert sich Leiß noch heute. „So geht man nicht mit Partnern um.“
Schließlich rückte der Eröffnungstermin der neuen Stadthalle näher – der 2. Dezember 2016! Gut 12 Jahre nach Schließung der alten Halle, 10 Jahre nach deren Abriss, durfte das Parkhotel hoffen, dass die dürren Zeiten vorbei sind und das Geschäft mit den Besuchern und den in der Stadthalle auftretenden Künstlern wieder aufblüht.
Die Vorfreude währte nicht lange. Der neue Bürgermeister teilte dem Hotelier mit, dass mit Eröffnung der neuen Stadthalle Schluss sei mit den kostenlosen Parkplätzen für das Hotel. Als Leiß daraufhin mit rechtlichen Schritten drohte, meinte der Bürgermeister, man werde sich wegen dieser Lappalie doch einigen können und keinen Rechtsstreit anfangen.
Dann hörte der Hotelier wieder einige Zeit nichts mehr vom Rathaus, bis Ende Oktober 2016 ein Schreiben kam, in dem die Nutzungsvereinbarung – und damit der kostenlose Parkraum – mit sofortiger Wirkung gekündigt wurde.
Viele Gastwirte hätten wohl auch diese Kröte geschluckt – aus Angst, am kürzeren Hebel zu sitzen und bei offener Gegenrede zu riskieren, von Kontrolleuren so richtig durch die Mangel gedreht zu werden. Aber Michael Leiß reichte es: Sein Parkhotel hat Bauruinen, Baulöcher und Baulärm klaglos hingenommen, durch unternehmerisches Geschick eine – von der Stadt zu verantwortende – Durststrecke von 12 Jahren ohne Stadthalle überwunden und in all den Jahren rund 20 Arbeitsplätze erhalten. Und zum Dank sollten ihm jetzt auch noch die kostenlosen Parkplätze gestrichen werden…
Um die Parkplätze allein geht es Michael Leiß längst nicht mehr. „Jeder Unternehmer, auch wir Gastro-Unternehmer, brauchen sichere Rahmenbedingungen“ so der Hotelier. „Wo kommen wir hin, wenn Verträge und Vereinbarungen nichts mehr gelten und einseitig und mit sofortiger Wirkung gekündigt werden können?“
Das Vertrauen in die Stadtverwaltung hat er verloren. „Dort wird eine unternehmerfeindliche Politik gemacht“, so fasst er seine Erfahrungen der letzten 30 Jahre zusammen. Und dagegen wehrt er sich jetzt öffentlich und mit dem rechtlichen Beistand einer bundesweit renommierten Anwaltskanzlei. Für seinen Mut können wir ihm nur Beifall zollen und wünschen ihm viel Erfolg bei seinem Kampf um Gerechtigkeit.

Vom Horrorwittchen & horrenden Preissteigerungen
Man gönnt sich ja sonst nichts… Um den Platz vor der Stadthalle zu verschönern, veranstaltete die Stadt Lohr einen Künstlerwettbewerb. Für die Siegerin „Schneewittchen“ blätterte die Kommune einen hohen fünfstelligen Betrag hin. Zu einem Marketingcoup wurde das Ganze trotzdem, wenn auch ungeplant. Der Ärger der Lohrer Bürger über die teure, äußerst gewöhnungsbedürftige Skulptur animierte einen Gymnasiasten zu einem Graffiti, das als „Horrorwittchen“ bundesweite Schlagzeilen machte.
Aber nicht nur beim Schneewittchen gab die Stadt das Geld mit vollen Händen aus. Die Stadthalle sollte ursprünglich 8 bis 10 Millionen Euro kosten, dann 12 Millionen Euro. Am Ende kam die stolze Summe von 20 Millionen Euro heraus. Für den Betrieb der Halle wird, wenn alles gut läuft, im 1. Jahre mit einem Defizit von 1,8 Millionen Euro gerechnet. Klar, dass die Stadt jetzt nach neuen Einnahmequellen sucht. Da kommen doch Parkgebühren von Hotelgästen und Hotelmitarbeitern wie gerufen.

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